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Antisemitismus - Gestern und heute -
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Antisemitismus - Gestern und heute -
BULGARIEN
Von Chaim Frank
Die jüdische Bevölkerung spielte im Modernisierungsprozess der Agrarstaaten Südosteuropas seit dem 19. Jh. eine zentrale Rolle, die weit über ihren zahlenmäßigen Anteil hinausging.. In Bulgarien wurden alle Juden nach 1878 eingebürgert, im Unterschied z.B. zu Rumänien, wo sie bis nach dem Ersten Weltkrieg zumeist als Staatenlose der Willkür der Behörden preisgegeben waren. Erst nach 1878 gab es erstmals vereinzelte antisemitische Übergriffe. In den Jahren während des I. Weltkriegs, ab 1925 unter dem faschistischen Zankow-Regime und ab 1933 wurden antisemitische Ideologien und Aktivitäten stärker.
Am 24.Dezember 1940 schloss sich die bulgarische Regierung der deutschen Politik an und erließ das erste antijüdische Gesetz: das sogenannte Gesetz zum Schutz der Nation. In diesem Zusammenhang wurden die bulgarischen Juden registriert und verloren ihre bis dahin geltenden Rechte. Im Folgejahr 1941 wurden die getroffenen Maßnahmen auch auf die hinzugewonnenen Gebiete (Makedonien, Thrakien) erweitert.
In Kollaboration mit Nazi-Deutschland verschärfte Bulgarien 1942 seine Judenpolitik. Im Februar 1943 unterzeichnete der Kommissar für Juden, Belev, mit dem SS-Hauptsturmführer Dannecker die Vereinbarung, dass 20.000 Juden in die deutschen Ostgebiete deportiert werden sollten. Tatsächlich wurden dann ab März 1943 etwa 11.343 Juden (7.122 makedonische / 4.221 thrakische) nach Treblinka deportiert, wo sie ermordet wurden. Im Herbst 1943 wurden die antijüdischen Gesetze gelockert und schließlich im August 1944 gänzlich aufgehoben. Hier ist anzumerken, dass es der parlamentarischen und außerparlamentarischen Opposition, wie auch der orthodoxen Kirche zu verdanken war, dass weitere Deportationen verhindert wurden.
Nach dem Krieg, bis etwa 1951 wanderten über 44.000 Juden nach Israel aus, die restlichen, zumeist sephardische Juden (5.000) leben in Sofia und sind weitgehend assimiliert. Nach dem Zerfall des kommunistischen Regime wanderten zwischen 1990 bis 1995 rund 2.700 Juden nach Israel aus, so dass heute etwa 2 - 3.000 Juden in Bulgarien verlieben sind.
GEORGIEN / KAUKASUS
Von Chaim Frank
Wann sich die ersten Juden im Kaukasus niederließen, ist bis heute nicht mit Sicherheit zu sagen. Verschiedene Legenden erzählen, dass die ersten Juden bereits in frühester Zeit, vermutlich durch Salmanassar von Assyrien (722 v.) bzw. nach der Zerstörung des Reiches Juda durch Nebukadnezar (586 v.) in den Kaukasus gekommen seien. Erwähnungen über den Aufenthalt von Juden im Kaukasus finden sich jedoch bereits im Talmud.
Zwischen dem 10. bis 18. Jahrhundert, vor allem während der Christianisierung des Kaukasus wurden die Juden verfolgt und zu schwerster Arbeiten gezwungen. Viele der kaukasischen Juden traten, um den Verfolgungen zu entgehen, zum Christentum über. Ihre Lage verschlimmerte sich gegen Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts während der russisch-kaukasischen Kriege. Erst nach der Eroberung des Kaukasus durch die Russen wurden die Juden mit der übrigen kaukasischen Bevölkerung gleichberechtigt. Erst ab 1837 wurde ihr Residenzrecht anerkannt, allerdings verbunden mit einem Neuansiedlungsverbot. Etwa ab 1860 begann sich ein eigenständiges jüdisches Leben zu entwickeln, durch Neuansiedlung und auch durch Kontakte zwischen den georgischen Juden und den Bergjuden (s.u.) und über kulturelle und zionistische Organisationen.
Die jüdische Bevölkerung im Kaukasus zählte um die Jahrhundertwende etwas über 57.000 Personen und bestand aus zwei elementaren Gruppen: den eingeborenen kaukasischen Juden und den Einwanderern aus dem europäischen Russland. Die kaukasischen Juden bilden ihrerseits ebenfalls zwei Gruppen, nämlich die georgischen Juden und die Bergjuden. Die etwa 30.000 georgischen Juden leben hauptsächlich in den Städten und Dörfern der grusinischen Gouvernements Tiflis und Kutais. Sie sprachen georgisch (grusinisch) und unterschieden sich in ihrer Lebensart und ihren Gebräuchen kaum von den Georgiern. Die Bergjuden wohnten im Gebirge, vorrangig in den Bezirken Dagestan (Hauptstadt Derbend), Baku, Terek, Kuban, Jelisawetpol (später Gandscha). Die rund 15.000 Bergjuden sprachen einen iranischen Dialekt und kleideten sich wie die übrigen Kaukasier. Zu ihrer Tracht gehört gewöhnlich auch ein Schwert, das sie sogar beim Besuch des Gottesdienstes trugen. Sie waren in vielen Gebräuchen, Sitten und auch in Aberglauben stark von ihrer Umwelt beeinflusst. Die Hauptbeschäftigung der georgischen Juden war die Landwirtschaft, die Gärtnerei und der Wein- und Tabakanbau. Die Bergjuden trieben zusätzlich auch noch Vieh- und Seidenzucht, sowie Gerberei und Handel.
Während der Sowjetherrschaft und des Stalinismus blieb die kulturelle Autonomie der Juden im Kaukasus weitgehend unberührt.
Nach der deutschen Sommeroffensive, im Juli 1942, und der Eroberung des Elbrus, dem höchsten Bergs des Kaukasus, drang im Gefolge der Wehrmacht auch die Einsatzgruppe D unter dem Brigadeführer Walter Bierkamp (Einsatzkommandos 10a, 10b, 11 und 12) in den Kaukasus ein. Ihre ersten großen "Aktionen" gegen Juden fdührten sie im August 1942 durch: In Krasnodar und Ejsk wurden die Insassen von Anstalten und Kinderheimen in Gaswagen ermordeten. 500 Juden aus Krasnodar wurden am 21./22. August 1942 in einem Wald am Stadtrand, am 1. September 1942 500 Juden in Mineralnyje Wody erschossen. Am 9./10. September wurden die Juden aus Jessentuki und Kislowodsk gleichfalls nach Mineralnyje Wody gebracht und dort vom Einsatzkommando 12 erschossen. Insgesamt fanden über 6.000 Juden den Tod. Die Juden in Pjatigorsk wurden vom Einsatzkommando 12 im September 1942 in Gaswagen ermordet. Die restlichen Überlebenden, vor allem die zuvor benötigten Handwerker, wurden am 4./5. Januar 1943 in Kislowodsk ermordet. Die Einsatzgruppe D mordete im Nordkaukasus insgesamt etwa 10.000 Juden.
Im Nürnberger "Einsatzgruppen-Prozeß" wurde Werner Braune, der Führer des Einsatzkommandos 11, verurteilt und hingerichtet. Der Führer des Einsatzkommandos 10a, Kurt Christmann, hingegen wurde erst 1980 vom Landgericht München zu einer Haftstrafe verurteilt.
Die Jahrzehnte nach Stalin, Chrustschev, Breschnjev bis Jelzin verliefen für die Juden im Kaukasus relativ ruhig. Erst mit den Bestrebungen nach Unabhängigkeit und Loslösung von der Sowjetunion flackerte ein neu aufkommender Nationalismus in Georgien und im Kaukasus auf, der zahlreiche Juden in den Westen, vor allem nach Israel und Amerika, trieb. Der georgische Staatspräsident, Eduard Schewardnadse, ist zwar bemüht die Wirtschaftlichkeit seines Landes aufrecht zu erhalten als auch verschiedene alte Vorurteile seiner Landsleute gegenüber Minderheiten zu verhindern, doch ist die nächste Zukunft am Kaukasus äußerst ungewiss.
So erschien 1996 beispielsweise ein antisemitischer Artikel in der Tbiliser Zeitung "Noah", in der die Juden als "Vampire" bezeichnet wurden, die "Geld, Gold, Nerven und Ideen aus Georgien pumpen" und angeblich Schuld an der hohen Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise des Landes tragen. Schewardnadse verurteilte den besagten Artikel aufs schärfste und bezeichnete ihn als "faschistisch und voll Bigotterie", doch von seiner Warnung, dass er gegen Publikationen dieser Art energische Maßnahmen ergreifen werde, war nicht viel zu bemerken.
RUMÄNIEN
Von Chaim Frank
Die Juden Rumäniens waren stets und ständig antisemitischen Ausschreitungen unter verschiedenen Herrschern ausgeliefert und dienten als Sündenbock für unterschiedliche Auseinandersetzungen zwischen der herrschenden Schicht und den unzufriedenen Bauern.
Im 19. Jahrhundert, in den Jahren der russischen Okkupation, z.B. wurden über 200 'Judengesetze' erlassen. Viele dieser 'Judengesetze' dienten später dem nationalsozialistischen Regime als Vorbild. Von 1900 bis 1906 emigrierten über 70.000 Juden in Richtung Amerika. Diese starke Abwanderung erregte die Weltöffentlichkeit und veranlasste die amerikanische Regierung zur Absendung der sog. 'Hay-Note' (11.8.1902), die die europäischen Mächte auf die Missachtung des Berliner Vertrags (1878) durch Rumänien verwies.
Die nächste größere antisemitische Welle kam kurz nach dem Ersten Weltkrieg, die auch von der "Legion" getragen wurde: 1923 hatte Corneliu Codreanu nach dem Vorbild des italienischen Faschismus die nationalistische, antisemitische "Legion Erzengel Gabriel" gegründet, die sich ab 1931 "Eiserne Garde" nannte. Als diese Gruppierung bei den Parlamentswahlen 1937 drittstärkste Kraft wurde, kam es zum Verbot der Organisation. Codreanu, des Hochverrats angeklagt, wurde bei der Überführung von einem zu einem anderen Gefängnis erschossen. Auch nach seinem Tod blieb die "Eiserne Garde" aktiv. Auf Druck der Nationalsozialisten kam es 1940 zu einer Koalitionsregierung von General Ion Antonescu und Horia Sima, dem Nachfolger Codreanus, die ein enges Bündnis mit den Nazis praktizieren. Unter dieser Militärdiktatur werden die rumänischen Juden besonders brutal verfolgt, Schätzungen über die Zahl der Ermordeten schwanken zwischen 300.000 und 400.000.
Nach dem Krieg wanderten zahlreiche Juden nach Israel und Amerika aus, so dass 1990 in ganz Rumänien etwa nur noch 20.000 Juden lebten. Die Ausreise nach Israel wurde mit einer Auslösesumme belegt: die israelische Regierung oder jüdische Organisationen hatten dem rumänischen Staat für entstandene Kosten in Bildung und Ausbildung pro Kopf zu zahlen. Nach dem Sturz Ceaucescus kam es erneut zu einer Auswanderungswelle, so dass heute die Zahl der in Rumänien verbliebenen Juden zwischen 8 - 9.000 geschätzt wird.
Alte und Neue Rechte
(Red.)
1989 wurde die stalinistische Regierung Nicolai Ceausescus gestürzt, Ion Iliescu mit der neu gegründeten "Partei der Sozialen Demokratie" (PDSR) übernahm die Macht. Der bürokratische Apparat des alten Regimes blieb weitgehend erhalten und zahlreiche Politiker aus dem Umfeld Ceausescus blieben auf Posten in der neuen Regierung. Eine Auseinandersetzung mit der politischen Vergangenheit, etwa der ehemals gefürchteten Geheimpolizei Securitate, fand nicht statt. Dagegen gründete unmittelbar nach dem Sturz Ceausescus Vadim Tudor, ein ehemaliger Offizier dieser Geheimpolizei, die "Partei Großrumänien"(PRM), die sich dem Kampf gegen Verräter der rumänischen Nation verschrieb und offen sowohl gegen die ungarische Minderheit im Land, wie gegen Juden und Roma hetzt.
Sicherlich auch die Enttäuschung in der Bevölkerung über die Entwicklung nach der Wende führte 1996 zu einem Regierungswechsel: die PDSR wurde abgewählt und ein Bündnis aus Christdemokraten, Nationalliberalen und Sozialdemokraten, die "Demokratische Konvention für Rumänien (CDR) unter Emil Constantinescu gelang an die Regierung.
Armut bestimmt das Bild Rumäniens, dem nach Polen bevölkerungsreichsten und zugleich ärmsten der EU-Beitrittskandidaten. Druck von Seiten des IWF und der EU, die Privatisierung der Betriebe und Strukturanpassungsmaßnahmen zu forcieren, trugen zur weiteren Verschlechterung der Lebensbedingungen bei, Korruption und Mafiastrukturen weiteten sich aus, die soziale Situation verschärfte sich weiter. Die CDR-Regierung setzte auf nationalistische Propaganda, was ihre Regierungszeit allerdings nicht verlängerte. Bei den Wahlen im Dezember 2000 erreichte die PRM Tudors im ersten Wahlgang fast so viele Stimmen wie die Partei Iliescus, der schließlich als Sieger aus dieser Veranstaltung hervorging.
Nicht nur aktuelle nationalistische, rassistische und antisemitische Kampfparolen bestimmten die Politik in Rumänien. Schon 1991 inszenierte die PDSR im Parlament eine Gedenkminute zu Ehren Antonescus - die 1999 von der CDR zur Feierstunde ausgeweitet und zelebriert wurde. Die Rehabilitierung der faschistischen Vergangenheit ist ein Anliegen aller Machtstrukturen und sie wird nicht nur von der extremen Rechten Tudors betrieben - 1999 etwa wurde der 1940 für die Einführung der Rassegesetze zuständige Minister Ion Gigurtu von der Generalstaatsanwaltschaft offiziell rehabilitiert.
In den letzten Jahren wird eine zunehmende Intellektualisierung des rechtsextremen Diskurses erkennbar, der sich durch revisionistische Propaganda - Leugnen des Holocaust und Verharmlosung und Beschönigung der faschistischen Vergangenheit generell und faschistischer Organisationen speziell in Rumänien - auszeichnet. 1994 gründete sich eine Gruppe "Neue Rechte" (nicht zu verwechseln mit einer Naziorganisation gleichen Namens), die rege Kontakte zu westeuropäischen VertreterInnen der "Neuen Rechten", vor allem den Kreis um Benoist in Frankreich, unterhält und bei internationalen Konferenzen der Rechten auftritt. Sie berufen sich auf die Theorie des Ethnopluralismus und treten ein für eine Wiedergeburt nationalrevolutionärer Ideologie auf der Basis völkischer Ideen. Als kleine Randnotiz dieser Geschichte: ein ideologischer Vordenker dieser Theorie und Inspirator des italienischen Faschismus, Julius Evola war ebenfalls ein Verehrer Codreanus und gedachte seiner in einer Festrede zu seinem Todestag als "die ideale Verkörperung des Typs der arisch-römischen Rasse" (in: Civiltá, 1-Nr. 2 9/10, 1973).
Als ein Vordenker der rumänischen Gruppe "Neue Rechte" gilt Bogdan George Radulesco, der auch Begründer des rechtskonservativen Klubs "Acolade" in Bukarest ist. Radulescu verbindet in seinen Theorien Versatzstücke des traditionellen rumänischen Rechtsextremismus mit solchen der europäischen "Neuen Rechten". Eine andere Gruppe Neurechter gruppiert sich um den Verlag "Anastasia", eine rechtskonservativ-orthodoxe Institution und ihren Hauptvertreter Razvan Codrescu. Codrescu veröffentlicht zu Theorie der Neuen Rechten und ist Mitarbeiter der rechtsextremen Zeitschrift "Puncte Cardinale" in Sibiu.
In diesem Klima geriert sich der Faschist Vadim Tudor als Anwalt der Verzweifelten, Eckpunkte seiner Programmatik: extremer Nationalismus, Massenmobilisierung - und Liquidierung von Minderheiten. Zentral sind seine Angriffe auf Roma und Juden.
Antisemitismus nach 1990
Von Chaim Frank
Bereits im Mai 1990 war es zu der Schändung eines jüdischen Friedhofs in Tirgu Mures gekommen.
1992 schrieb das beliebte Bukarester Wochenblatt "Europa" ausführlich über die "Protokolle der Weisen von Zion", da dieses Pamphlet angeblich beweise, dass die Juden (damals wie heute) die Weltherrschaft anstreben wolle, und zwar mittels ihres Geldes und der Presse um Einfluss nehmen zu können auf die gesamte öffentliche Meinung in der demokratischen Welt. Andere, ähnlich orientierte Schmierenblätter schrieben über eine "jüdisch-freimaurerische" Verschwörung, welche nun auch auf den rumänischen Staat zunehmend Einfluss nehmen würde. Eine Umfrage, die im Dezember 1993 veröffentlicht wurde, ergab, dass rund 30 % der Rumänen lieber keinen Juden weder als Nachbarn noch als Arbeitskollegen haben würden.
Schon Mitte 1993 fiel sogar der "allgemeinen" westlichen Presse auf, dass " In Rumänien der Judenhass blüht". In der Nach-Ceausescu-Ära wurden alte nationale groß-rumänische Gedanken wieder wach, und - wie es eine jüdische Zeitung so trefflich formulierte - der Hass auf die Juden erreichte "geradezu zoologische Ausmaße". Als eines der beliebtesten Opfer der rumänischen Antisemiten (nicht bloß in der Presse), war bis zu seinem Tode 1994 der Oberrabbiner Moses Rosen. In frechster Weise spuckte die Bukarester Wochenzeitung "Europa" auf ihn und beschimpfte den Rabbiner als "die Quelle der antirumänischen Kampagne" und bezeichnete ihn in klassischer Manier "als Repräsentant einer internationalen Verschwörung mit dem alleinigen Ziel, das rumänische Volk zu verfluchen und die Wahrheit über die Judenpolitik des rumänischen Diktators Ion Antonescu während des Zweiten Weltkrieges zu verfälschen."
In die gleichen Flanken schlug auch die andere faschistoide Zeitschrift, die "Gazeta de Vest" und führte einen offenen Kampf für die Rehabilitierung der rumänischen Faschisten (als Bekämpfer des Sowjetismus) und schürte in diesem Zusammenhang eine breite antijüdische Kampagne vor der selbst der frechste osteuropäische Antisemit erschrak.
Die rumänische Behörde sah sich keineswegs - auch nicht nach ausländischer Empörung - veranlasst, irgend etwas dagegen zu unternehmen. Insofern ist es auch nicht zu verwundern, dass in nicht geringer Zahl romantisierende National-Bewegungen entstehen konnten, von denen einige sogar offen das Erbe der faschistischen "Eisernen Garde" beanspruchten und folglich sich fleißig bemühen die einstigen Verbrecher nun als "Helden" darzustellen.
Anfang 1994 kam es zu einer offenen, ja internationalen Kontroverse um die Rehabilitierung des faschistischen Diktators Antonescu, nach dem nämlich in einigen Städten Straßen umbenannt werden sollten.
Erst nachdem sich der Vorsitzende der jüdischen Anti-Diffamierungs-Liga in den USA, Abraham H. Foxman, in einem Protestschreiben die rumänische Regierung aufforderte, gegen die Versuche vorzugehen, Antonescus "Verantwortlichkeit für Kriegsverbrechen" zu vertuschen, sprach sich der rumänische Präsident Ion Iliescu gegen die Rehabilitierung des Faschisten-Führers Ion Antonescu in seinem Land aus. Foxman schrieb in seinem Brief an Iliescu unter anderem, dass die geplante Errichtung eines Antonescu-Denkmals in der von Bukarest 80 Kilometer entfernt liegenden Stadt Slobocia "das bisher schwerwiegendste Beispiel des Mangels an Sensibilität gegenüber den Leiden der Juden Rumäniens" sei.
Im Juni 1995 kam es beim Besuch von israelischen Autoren in Rumänien zu einem Eklat, dem antisemitische Reaktionen vorhergegangen waren. Der Journalist und Vorsitzende der ultra-nationalistischen Partei "România Mare"" (Großrumänien) Tudor, verlangte, dass der israelische Schriftsteller Saul Carmel in Rumänien zur persona non grata erklärt werden solle, da dieser "die Ehre des rumänischen Volkes verletzt" habe. Im Zuge der Abschlussfeierlichkeit waren die Kongress-Teilnehmer zu einem Empfang beim Staatspräsident Ion Iliescu geladen, zu dem ungeladen auch Vadim Tudor erschien. Daraufhin verließ die jüdische Delegation unter Protest gemeinsam mit Saul Carmel den Präsidentenpalast.
Wenige Tage später, ebenfalls im Juni, wurde erneut der jüdische Friedhof in Bukarest verwüstet, und zwar so arg, dass die Vertreter der jüdischen Gemeinde nicht mehr darüber hinwegsehen konnten und davon sprechen mussten, dass es sich hierbei "um den schwersten Vorfall dieser Art" handelte.
Die einst große Jüdische Gemeinde Rumäniens hält sich mit Forderungen nach Entschädigung zurück. Die jüngste antisemitische Hysterie liegt zwei Jahre zurück", schrieb 1997 eine deutsche Tageszeitung mit leicht vorwurfsvollem Unterton. Kein Wunder, denn über Jahrzehnte hinweg war das Motto eines jeden Ostjuden, wenn er sich nicht Repressalien aussetzen sehen wollte: "ducken und nur nicht auffallen".
Dabei "duckte" sich die Jüdische Gemeinde - zumindest unter Rabbi Moses Rosen - gar nicht. Immer wieder kam es zu "unangenehmen Aussprachen" seinerzeit unter Ceausescu genauso wie unter der Nachfolgeregierung, bei der sich die Jüdische Gemeinde von Bukarest eher selten zurückhielt. Im Sommer 1995 beispielsweise legte sie erstmals einen Gesetzesentwurf zur Rückgabe ihres einst von den rumänischen Faschisten und Kommunisten konfiszierten Eigentums vor. Die Folge war eine Welle antisemitischer Reaktionen, bei denen sich die extremistischen Parteien ausschließlich gegen eine Rückgabe richteten.
Der damalige Vorsitzende der Demokratischen Partei und Senatspräsident Petre Roman, der selber jüdischer Herkunft ist, meinte diesbezüglich: "Die Rückgabe jüdischen Eigentums ist eine sensible Angelegenheit. Wenn nicht auch andere religiöse Gemeinschaften ihr Eigentum zurückbekommen, dann kann das zu unerwünschten antisemitischen Reaktionen führen." Nun war das keine offensichtliche "Bitte eines Freundes" um Zurückhaltung?!
Auf die Flut von antisemitische Tendenzen im postkommunistischen Rumänien konnte die jüdische Gemeinde kaum noch reagieren, und wen hätte sie auch schon als "Fürsprecher" gehabt in einer Hochburg von Antisemiten? Ergo schwieg sie ... aus Vorsicht!
Weiterführende Literatur: Marianne Hausleitner: Antisemitismus in Rumänien vor 1945. In: Hermann Graml, Angelika Königseder, Juliane Wetzel (Hg.) Vorurteil und Rassenhass. Antisemitismus in den faschistischen Bewegungen Europas, Berlin 2001. Armin Heinen: Die Legion "Erzengel Michael" in Rumänien. Soziale Bewegung und politische Organisation, München 1986
ALBANIEN
Von Chaim Frank
Urkundlich nachweisbar lebten ab 1175 Juden in Albanien. Im Zuge der Vertreibung aus Spanien (ab 1792) kamen weitere, meist sephardische (von hebr. sefarat - Spanien, heute allg. Juden aus Afrika, Asien), und später auch süditalienische Juden hinzu. Im 20. Jahrhundert, zumindest bis vor dem II. Weltkrieg existierte eine einzige jüdische Gemeinde in Shkodra und eine weitere kleinere in Korza. Eine - allerdings wenig zuverlässige - Volkszählung des Jahres 1927 nennt 204 albanische Juden.
Nach der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 flohen Juden aus Deutschland und Österreich nach Albanien, das sich von 1939 bis zum September 1943 unter italienischer Herrschaft befand bis es von deutschen Truppen besetzt wurde. Bereits im Frühjahr 1942 lieferte die italienische Militärbehörde 51 Juden den Deutschen aus, die dann im Lager von Banjica erschossen wurden. Im April 1944 werden etwa 400 Juden, vorwiegend Flüchtlinge aus Europa, nach Pristina verschleppt, von wo über die Hälfte nach Bergen-Belsen deportiert wurden, die anderen kamen vermutlich im KZ-Jasenovac um.
Bis 1990 war jegliche Religionsausübung verboten, so dass es offiziell auch keine jüdische Gemeinde gab. Die kleine Anzahl in Albanien verbliebenen Juden lebten in Tirana und Valona.
Der Bürgerkrieg auf dem Balkan, vor allem die späteren Auseinandersetzungen im Kosovo, setzen Kräfte frei, die bis dahin weder in Albanien noch in den angrenzenden Gebieten bekannt waren. Obwohl Hashim Thaci, der Chef der albanischen Befreiungsarme im Kosovo im Juli 1999 der jüdischen Bevölkerung Schutz zugesichert hatte, kam es zu Bedrohungen, wie es der Vorstand der jüdischen Gemeinde, Cedda Prlincevic in einigen Interviews zum Ausdruck brachte. Nach Meinung von Prlincevic kam die Gewalt, alle Nicht-Albaner zu vertreiben nicht aus dem Kosovo, sondern aus Albanien. Bisher hatte es kaum einen Antisemitismus gegeben, weder von serbischer noch von albanischer Seite. "Wir wurden", so Prlincevic, "nicht von Albanern aus Pristina, sondern von Albanern aus Albanien vertrieben."
Schon früh hat die OSZE erkannt, dass die UÇK trotz gegenteiliger Behauptungen hinter zahlreichen Gewaltakten steckte: "Die Verwicklung der UÇK, die sich nun KSK nennt, ist von einem solchen Ausmaß, dass dies nur mit ausdrücklicher Unterstützung, zumindest aber mit stillschweigender Duldung der (UÇK) Führung geschehen kann, was dringend einer eingehenden Untersuchung der Internationalen Gemeinschaft bedarf." Laut Informationen des Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind seit Juni 1999 rund 250.000 Menschen aus dem Kosovo vertrieben worden, wohingegen die Schätzungen des jugoslawischen Außenministeriums sogar eine Zahl von ca. 350.000 nennen. Die Mehrzahl der Vertriebenen bestand aus Serben sowie Roma, Juden, Türken und anderen Minderheitengruppen.
Paul Polansky, ein Historiker, der 1999 von Juli bis etwa Jahresende zusammen mit Roma im Kosovo lebte, dokumentierte eindringlich die Diskriminierung der Roma-Bevölkerung. Vor dem Krieg - so Polansky - lebten die Roma in integrierten und gewachsenen Gemeinden gemeinsam mit anderen Volksgruppen, dann wurden sie "wegen ihrer Hautfarbe" ethnisch gesäubert. In seiner Dokumentation machte der Historiker außerdem auch auf die bewusst mangelhafte Versorgung der Roma mit Medikamenten, Lebensmitteln und Sicherheit durch die örtlichen Hilfsorganisationen aufmerksam.
Der eben erwähnte Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Pristina, Cedomir Prlincevic, wurde ebenfalls 1999 von der UÇK vertrieben. In einem Interview berichtete später, "als zwei Dutzend bewaffnete Männer in unsere Familienwohnung stürmten, erlitt meine 80 Jahre alte Mutter einen Herzanfall, weil es sie an Hitlers SS erinnerte, die 1943 auf die gleiche Weise ihre Wohnung gestürmt hatte". Mit der Vertreibung des Vorsitzenden sowie der übrigen Juden erlosch das alte jüdische Leben in dieser Region.
RUSSLAND (UdSSR, 1922-1991)
Von Chaim Frank
Der erste russische Pogrom fand im Zuge der Erhebung Wladimirs (der Monomach; 1113-1125) in Kiew statt. Es kam zu Plünderungen jüdischer Häuser und der Ausweisung der Juden aus der Stadt. Antijüdisches Verhalten war schon vorher, besonders durch den später heilig gesprochenen Mönch FEODOSIJ (11. Jahrhundert) aus dem Kiewer Höhlenkloster mit seiner eigenwilligen Askese eingeläutet worden: Er mahnte seine Gläubigen, sie sollte mit allen und jedem friedlich zusammen leben, außer mit den Juden.
Nach der Einnahme Kiews 1240 durch die Tartaren, verlagerte sich der Schwerpunkt des russischen Staatswesen Richtung Nordosten nach Moskau und allmählich mit ihm die kirchliche Tradition, einschließlich der antijüdischen Polemik. Obwohl es im Moskauer Staat kaum Juden gab, ereiferten sich Mönche mit judenfeindlichen Texten. Überliefert ist der Text eines SAWWA, der 1488 sein 'Sendschreiben gegen die Juden und Häretiker' verfasste. in dem er auch die gekürzte Fassung einer Predigt des Metropoliten Ilarion (um 1040-50 entstanden) einfügte.
Grausamer war es da schon unter Iwan IV., genannt 'Groznyj' (der Schreckliche), der nicht nur Juden aus seinem Land verbannte, sondern sie bei verschiedenen Anlässen verfolgen und ermorden ließ: Am 15.2.1563 bei der Eroberung der Stadt Plozk ließ er die Juden der Stadt in der Duena ertränken.
Auch unter den beiden Zarinnen hatte sich die Lage der Juden nicht verbessert. Die Juden wurden 1790 auf Drängen der Kaufmanns- und Kleinbürgerschaft von KATHARINA II. aus dem Kaufmannsstand ausgeschlossen und in Ansiedlungs-Rayons an der Westgrenze des russischen Reiches verbannt und mit doppelter Steuerzahlung belegt. Der kirchliche Anti-Judaismus unter dem Moskauer Metropolit Platon (Lewschin; 1737-1812) und dem Erzbischof Lawrentij (1776-1838) wurde fortgesetzt. Antisemitische Agitationen wurden unter dem ultrareaktionären Regime Zar Nikolaus I. (1825-55) fortgesetzt.
1825 kam es in Odessa zu Ausschreitungen gegen Juden, die sich 1841 und 1871 wiederholten und als Vorboten der Pogrome von 1881-1882 gesehen werden. Sie waren vorwiegend von kirchlicher Seite geschürt, wie jene Ritualmord-Vorwürfe die in Welizh (Gouverment Witebsk) 1823/24 und Sartow 1857, die alle wegen nicht erwiesener Schuld zu Freisprüchen führten.
1827 wurde ein neues Militärgesetz eingeführt, das einen 25-jährigen Militärdienst vorschrieb und auch die jüdischen männlichen Kinder erfasste, die bereits im Alter von 12 Jahren den Eltern entrissen wurden. Die Rekrutierung betraf etwa 70.000 jüdische Jugendliche und besonders zum Ende der Ausbildungs- bzw. Dienstzeit war der Übertritt zum Christentum verankert, respektive Bedingung. Dieses Gesetz wurde 1850 verschärft und noch bis 1874 beibehalten.
Mehrere Ritualmord-Anschuldigungen folgten, wie jener von Kutajsi in Georgien 1879 und der Kiewer-Prozess, bekannt geworden als der Fall Mendel Bejlis, der 1913 ebenfalls in einem Freispruch endete. In der Regierungszeit Alexander III. (1881-94) und Nikolaus II. (1894-1917) kam es zu mehreren Pogromwellen. Waren es vorwiegend die arbeitslosen Scharen großrussischer Bauern, als hauptsächliche Träger dieser Pogrome, so darf auch die beachtliche Mitwirkung der Gesamtbevölkerung und vornehmlich die groß angelegte Plünderung durch kleinrussische Bauern nicht übersehen werden.
Es erfolgten erste große Fluchtwellen nach Westeuropa und schließlich nach Amerika. Während und nach dem Russisch-Japanischen Krieg hatten Juden erneut Erniedrigungen und Ausschreitungen zu erdulden.
Der zweite große Pogrom fand Ostern 1903 unter der Agitation der 'Schwarzen Hundert' in Kischinew statt, schwappte im selben Jahr nach Gomel über. Unterschwellig flammte es immer wieder weiter, bis die Pogrome 1905 Hunderte von Ortschaften erfasste. Sie verliefen weitaus blutiger als jene der vorangegangenen Jahre (1881-1882).
Der damalige Innenminister W.K. Plewe (1846-1904) stellte diese Pogrome als Racheakte der christlich-patriotischen russischen Menschheit gegen die jüdischen Revolutionäre hin. Nach den Pogromen 1906 /07 verstieg sich die Wochenzeitung >Potschajewskij Listok
Dies war aber auch die Zeit der >Protokolle der Weisen von Zion<über angebliche Pläne zur Errichtung einer 'jüdischen Weltherrschaft', dessen eigentliche Herkunft unbekannt blieb. Sie erschienen 1905 als Anhang in einer Schrift von Sergej Nilus in Moskau. Nilus´ Pamphlet diente zur Bekämpfung liberaler Ideen und der Festigung des zaristischen Systems und dem Kampf gegen das russische Judentum. Der Echtheitsbeweis für die 'Protokolle' konnte nie erbracht werden, (Hg. das Pamphlet gilt als eine Fälschung der Geheimpolizei Ochrana und setzt sich zusammen aus vielen der bösartigen Mythen über Juden, die seit Jahrhunderten überliefert worden waren) sie waren aber millionenfach verbreitet und spielten als Kampfmittel der Antisemiten während der Pogrome 1918-20, später für die Nazi und bis heute eine unheilvolle Rolle.
Nach der Oktoberrevolution wurden 140 antijüdische Gesetze aufgehoben, bis zur Stabilisierung der sowjetischen Regierung erlebten Juden allerdings noch einige Pogromwellen. Zwischen 1917 und 1921 fanden rund 1.500 Pogrome in Weißrussland und der Ukraine statt, bei denen mehr 150.000 Juden umkamen.
Doch auch nach der Konstitution der Sowjets war es aber auch nicht viel besser. Wie jene der orthodoxen Kirchen, wurden jüdische Religionslehrer, religiöse Führer des Judentums (z.B. der Ljubawitscher Rebbe J.I. Schneersohn) vor sowjetische Gerichte gestellt und mit harter Zwangsarbeit bestraft. Unzählige Synagogen wurden geschlossen und in Werkstätten, Kaufhäuser, Geschäfte und Sporthallen umgewandelt. Die hebräische Sprache wurde als Instrument für zionistische Agitation gesehen und daher verboten. Die jiddische Sprache wurde zwar nicht verboten, wurde jedoch stark assimiliert: hebräische Worte mussten per Dekret phonetisch geschrieben (- hebräische Worte machen etwa 20 Prozent der jiddischen Sprache aus, sie sind nicht vokalisiert).
Die stalinistisch geprägte Nachkriegszeit brachte kaum Ruhe oder wesentliche Erleichterungen. Stalins Kampf gegen den 'Kosmopolitismus' führte zur Anklage, Verurteilung, Deportierung und Erschießung zahlreicher Juden. Wobei, und das wird zum Teil übersehen, vieles auch auf das Konto Lawrentij Berija's, einem eifrigen Handlanger Stalins, zugeschrieben werden muss. Ihre Opfer waren bedeutende Juden: Schauspieler, wie Michoels und Suskin (Hg. - beide, wie viele andere Verfolgte waren Mitglieder des Jüdisch- Antifaschistischen Komitees, einer Anti-Hitler-Koalition, vgl. Lustiger); dann, ab 1952, 26 jiddische Schriftsteller; und beim Ärzteprozess, mit Beschuldigung des Mordversuchs an Stalin, traf es Kapazitäten aus Medizin und Wissenschaft. Im Oktober 1959 kam es zu antisemitischen Gewalttaten in Malachowka, nahe Moskaus.
Erst die Chrustschov-Ära zeigte Anzeichen eines 'Tauwetters' bis etwa 1963. Nach seinem Sturz regte sich wieder vermehrt alte antisemitische Ressentiments, die sich besonders während der sogenannten Korruptions-Prozesse 1963/4 bemerkbar machten. 60% der ausgesprochenen Todesurteile betraf Juden.
In den nachfolgenden Jahren richtete sich die anti-jüdische Haltung in der Sowjetunion (sie betraf nun Juden auch in anderen Ländern Osteuropas), bezüglich der pro-arabischen Haltung aller Warschau-Pakt-Staaten, jeweils nach der Israelischen Außenpolitik oder militärischen Sieg Israels.
Unter Gorbatschov's 'Glasnost' und 'Perestroika'-Politik hat sich in diesen Jahren zunehmend eine nationale Bewegung, die slawophile Pamjat, Platz verschafft. In den Jahren nach 1989 (bis 1998) wanderten, aufgrund vermehrter antisemitischen Ausschreitungen, über 900.000 Juden aus, von denen alleine annähernd 700.000 nach Israel gingen.
Iwan Seleznev Im Zweiten Weltkrieg wurden Juden Opfer mehrerer Anschuldigungen: So wurden die Juden einerseits als 'Kollaboranten' der Deutschen betrachtet, und von den deutschen Faschisten wurden Juden, (abgesehen der rassistischen Ideologie) als 'Verbreiter des Bolschewismus' verfolgt und ermordet.
Tschechische Republik - Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit
Von Andrea Übelhack
Historischer Rückblick zum Antisemitismus
Es ist anzunehmen, dass es bereits in der Antike jüdische Siedlungen in den böhmischen Ländern gab, wofür es aber, ebenso wie bei den übrigen jüdischen Siedlungsgebieten in Osteuropa, kein ausreichendes Quellenmaterial gibt. Erste Belege finden sich für das 11. Jahrhundert, beispielsweise in den Chroniken des Cosmas von Prag . Allerdings kam es erst im 13. Jahrhundert zu einer kulturellen Blüte, was die hohe Anzahl der wichtigen Gelehrten aus dieser Zeit bestätigt. Die freie Entfaltung der Juden in Boehmen und Mähren ist vor allem durch die Sonderrechte zu erklären, die ihnen 1267 von Premysl Ottokar II. bestätigt wurden. Sie wurden dadurch zu Kammerknechten bestimmt, was sie sowohl der Gerichtsbarkeit und der Steuerhoheit des Koenigs und nicht der lokalen Obrigkeiten unterzog. Dadurch konnten die jüdischen Gemeinden völlig autonom in Verwaltung, Steuerwesen und Erziehung handeln. In Boehmen waren die Gemeinden auf dem Lande mit Prag durch das Oberrabbinat verbunden, erst im Laufe des 18. Jahrhunderts bildeten sich auf der Provinz zwei unabhängige Rabbinate. Die Verwaltung Mährens glich der in Polen, so wurde auch hier ein Wa´ad gebildet, der als Rat der verschiedenen Gemeinden tagte.
Mit dem Widerstand der Hussiten gegen die katholische Kirche wurde nicht nur die königliche Zentralgewalt, sondern auch die Stellung der jüdischen Gemeinden geschwächt. Immer öfter wurden religiöser Aufhetzungen von Pogromen gefolgt. 1454 kam es zur Vertreibung aus fünf mährischen Königsstädten, Brno, Olomouc, Znojmo, Jihlava und Nove Mesto, die sechste Stadt Uherske Hradiste, schloss sich 1514 an . Die Juden erhielten hier bis ins 19. Jahrhundert kein neues Niederlassungsrecht.
1526 wurden die Königreiche Böhmen und Ungarn in die Habsburger Monarchie eingebunden. Für die jüdischen Gemeinden in den tschechischen Ländern bedeutete das einen neuerlichen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung. Erst die sogenannten Familiantengesetze aus den Jahren 1726/27, die Karl VI. unter dem Druck der Stände erlassen hatte, sorgten für eine empfindliche Einschränkung, die bis zur Revolution von 1848 bestehen blieb. Die Zahl der jüdischen Familien in Boehmen wurde auf 8.541 und in Mähren auf 5.106 begrenzt. Nur jeweils ein Sohn erhielt das Recht, selbst eine eigene Familie zu gründen. Die Durchsetzung der Verordnungen erwies sich allerdings als schwierig, viele konnten die Gesetze umgehen, so dass die jüdische Bevölkerung trotz dieser Maßnahmen beträchtlich anstieg . Eine Folge der Gesetze war eine Steigerung der Polarisierung innerhalb des tschechischen Judentums zwischen den assimilierten Wohlhabenden und der großen Masse der ärmeren Juden, die das Geld für Bestechung nicht aufbringen konnten. So bezeichnet auch Ruth Kestenberg-Gladstein "zwiespältige innere Verhältnisse" als den Preis, "den die jüdische Gesellschaft in den böhmischen Ländern für Toleranzpatente und Aufklärung zahlen musste."
Eine neue Ära begann für die Juden mit den josephinischen Reformen, die nicht nur von den Ideen des aufgeklärten Absolutismus, sondern auch von jüdischen Aufklärern, Anhängern der Haskala, geprägt waren. Darunter war vor allem das Toleranzpatent für das böhmische Judentum von 1781 von Bedeutung. Den Juden wurde jede Form des Handwerks und des Handels gestattet, sie sollten zu nützlichen Bürgern geformt werden. Einen bedeutenden Einschnitt hatte allerdings die Einführung der allgemeinen Schulpflicht zufolge. Den Juden wurde zwar der Zugang zu Universitäten erlaubt, aber durch die weltliche Erziehung in den staatlichen Schulen kam es zu einem Verfall der jüdischen Tradition, der einen größeren Willen zur Assimilation nach sich zog.
Das Aufkommen der nationalen Bewegungen am Anfang des 19. Jahrhunderts brachte große Konflikte mit sich. Die Gegensätze zwischen Tschechen und Deutschen verschärften sich zunehmend, die Juden mussten sich für die Zugehörigkeit einer dieser Kulturen entscheiden. Bei den Tschechen war eine solche Annäherung allerdings keineswegs erwünscht, jegliche Akkulturationstendenzen, wie beispielsweise Versuche jüdischer Literaten, in tschechischer Sprache zu schreiben, wurde mit Verachtung quittiert. Der Assimilationswille wurde dann vor allem mit dem Scheitern der Revolution von 1848 gedämpft. So kam es weiterhin zu einer verstärkten Germanisierung der tschechischen Juden, was schon durch die josephinischen Reformen, die ein Netz von deutsch-jüdischen Schulen begründet hatten, veranlagt war. Erst ab den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts und mit der stärker einsetzenden Industrialisierung kam es zu einer erneuten Hinwendung zur tschechischen Kultur. Noch 1890 gaben 74% der Prager Juden Deutsch als ihre Umgangssprache an, 1900 waren es nur noch 45%.
Die Juden in Boehmen und Mähren assimilierten sich trotz allem viel schneller als ihre osteuropäischen Nachbarn. 1867 war hier die volle Gleichberechtigung gesetzlich garantiert worden. Damit waren aber erneute soziale Spannungen gegeben, denn die Tschechen identifizierten die Juden nicht nur mit Deutschtum, sondern auch mit der kapitalistischen Ausbeutung. Ende des 19. Jahrhunderts eskalierte schließlich die Lage. Nach dem Rücktritt der Wiener Regierung, deren Versuch, sowohl deutsch als auch tschechisch zur Amtssprache zu erheben, gescheitert war, kam es in ganz Boehmen und Mähren, vor allem aber sehr massiv in Prag, zu einem Sturm auf deutsche Institutionen und wenig darauf zu großen antisemitischen Ausschreitungen. In diese emotionsgeladene Zeit fiel auch die sogenannte Hilsner-Affäre. Am 1. April 1899 fand man in Nordböhmen ein ermordetes Mädchen, das eine große Schnittwunde am Hals hatte. Sehr bald wurde der Verdacht auf den jüdischen Schustergesellen Leopold Hilsner gelenkt. Man warf ihm vor, er habe das Mädchen aus rituellen Gründen ermordet, um ihr Blut beim Pessah- Fest zu benutzen. Die zweite Instanz unterstellte ihm sexuelle Motive, Hilsner wurde erneut zum Tode verurteilt, was aber in eine lebenslange Haft umgewandelt wurde. Erst 1916 konnte seine Begnadigung durchgesetzt werden. Der Bruder des ermordeten Mädchens gab schließlich 1961 zu, die Tat begangen zu haben.
Die Ereignisse führten schließlich bei Teilen des tschechischen Judentums zu der Erkenntnis, dass eine Assimilation weder an die deutsche oder die tschechische Kultur glücken würde, dass man vielmehr ein eigenes nationales Bewusstsein, den Zionismus entwickeln müsse. 1899 wurde die Jugendbewegung Bar Kochba gegründet. So entstanden zwei Pole im tschechischen Judentum, die zionistische Bewegung und diejenigen, die an einer deutschen oder tschechischen Assimilation festhielten. Letztere stürzten oft in eine tiefe Identitätskrise, als sie erkannten das auch die Assimilation keine wirkliche Anerkennung brachte.
Nach dem ersten Weltkrieg wurde die erste tschechoslowakische Republik gegründet. Ihr erster Präsident Tomas Masaryk, der durch sein Eingreifen in die Hilsner-Affäre oft als Judenfreund beschimpft wurde, wollte einen Staat auf den Prinzipien der Gerechtigkeit und Toleranz aufbauen. In dieser ersten Republik war Antisemitismus offiziell nicht akzeptiert, die Juden waren voll gleichberechtigt, auch wenn der Hass unterschwellig weiterlebte und schließlich im Faschismus wieder hervorbrach. Die humane Tradition von Masaryks Politik wurde zwar von Eduard Benes fortgesetzt, doch nach der Münchner Konferenz, trat offene antisemitische Propaganda zutage. Als schließlich am 15. März 1939 Hitlers Truppen einmarschierten, war die humane Republik am Ende. Von den 118.310 Juden aus den tschechischen Ländern konnten 26.100 emigrieren, 78.000 fielen dem Holocaust zum Opfer.
Nach dem Krieg und der kommunistischen Machtübernahme wurde zunächst eine freundliche Politik gegenüber Israel eingeschlagen. Die Tschechoslowakei war der wichtigste Waffenlieferant für den neuen jüdischen Staat, der gegen fünf arabische Armeen kämpfte. Außerdem wurden die Piloten der israelischen Luftwaffe hier ausgebildet. Diese Beziehungen wurden nach einer sowjetischen Kampagne abgebrochen, unter dem Druck des großen Bruders bekam der Antisemitismus eine neue Ausprägung, man sollte daher eher von ''Antizionismus'' sprechen. Den Höhepunkt dieser Propagandakampagne bildete der sogenannten Slansky-Prozess 1952. Dieser größte Schauprozess der tschechischen Nachkriegszeit führte zur Hinrichtung zahlreicher Juden, die hohe Stellungen innehatte. Die sowjetische Führung benutzte den Vorwand einer zionistischen Verschwörung, um die unbequemen Genossen auszuschalten. Der Prozess zog noch zahlreiche Verurteilungen in den folgenden Jahren nach sich.
Der Prager Frühling brachte für die Juden eine kurze Reprise der Masaryk-Zeit, nach dessen Niederschlagung flohen weitere 6.000 Juden aus dem Land. In den folgenden Jahrzehnten wurden die jüdischen Gemeinden streng überwacht. Bei den Versammlungen war immer ein Staatsangestellter anwesend. Der Gottesdienst war zwar erlaubt, doch Prag hatte 20 Jahre keinen Rabbi und man musste damit rechnen, im Job stark diskriminiert zu werden, wurde man in der Synagoge gesehen. So kam es, dass sich hauptsächlich alte Menschen zu ihrem Judentum bekannten, während sich die jüngeren Generationen oft scheuten bei der Gemeinde zu registrieren, auch um ihren Kindern das Leben zu erleichtern.
Das kommunistische Regime leugnete ebenfalls, dass der überragende Grossteil der Holocaust-Opfer Juden waren. So wurde auch die Pinkas-Synagoge in Prag, an deren Wand die Namen von annähernd 80.000 böhmischen und mährischen Juden, die im Holocaust umkamen, eingemeißelt wurden, 1968 zu einer angeblichen Restaurierung geschlossen. Tatsächlich wurde erst 1992 mit den Arbeiten begonnen, die Synagoge wurde anlässlich des Jom haShoah am 16. April diesen Jahres wiedereröffnet.
In der kommunistischen Ära wurden auch sehr viele antisemitische bzw. antizionistische Texte publiziert. Da sie ohne Zensur gedruckt werden konnten, ist anzunehmen, dass die hetzerischen Texte voll im staatlichen Interesse lagen. Die Juden in den tschechischen Ländern waren also von Anfang an großem Hass und Verfolgungen ausgesetzt, sei es aus religiösen oder ökonomischen Gründen. Ihre wirtschaftlichen Verdienste für das Koenigreich Boehmen im Mittelalter, ihr wichtiger Beitrag zur Industrialisierung und ihre verzweifelten Assimilationsbestrebungen wurden ignoriert. Die wenigen, die den Holocaust überlebten und in ihre Heimat zurückkehrten, wurden aufgrund der unklaren Eigentumsverhältnisse mit Ablehnung und neuer Diskriminierung empfangen. Die freie Religionsausübung wurde gestört, ihr Leiden im Holocaust nicht anerkannt, Theresienstadt wurde zu Propagandazwecken missbraucht. Viele der Juden wurden gezwungen, ihre Identität zu verleugnen.
Antisemitismus heute
Mit der samtenen Revolution des Jahres 1989 änderte sich vieles. Der Prager jüdischen Gemeinde gehörten 1992 nur etwa 1.000 Mitglieder an, Tendenz steigend, in der ganzen Tschechoslowakei waren es 3.000. Die Zahl der tatsächlich in Tschechien und der Slowakei lebenden Juden wird aber auf über 12.000 geschätzt . Die tschechische Presse entdeckte, dass man von den Juden, ihrer Kultur und Tradition fast nichts wusste. In der folgenden Zeit erschienen viele aufklärende Artikel, die Verdienste der Juden für die Tschechen wurde betont, die Schulen unterrichten jetzt über den Holocaust. Die Presse zitiert oft Masaryks Ausspruch, dass Antisemitismus nicht zu einer demokratischen Gesellschaft gehört.
Die jüdischen Gemeinden sind optimistisch und sehen ihre Chancen. Eine große Zahl Organisationen wurde gegründet, darunter die Kafka Gesellschaft, eine christlich-jüdische Gesellschaft, B´nai B´rith und Maccabi, die vor allem auch die Jugend ansprechen. Trotz allem werden einige antisemitische Bücher weiter verbreitet, vor allem ''Die Protokolle der Weisen von Zion''. Auf verschiedenen Buchmessen wurden zahlreiche Exemplare konfisziert, aber viele Bürger kritisierten die Behörden dafür, da sie ihr wiedererworbenes Recht auf freie Meinungsäusserung in Gefahr sahen. Weiterhin bedenklich bleibt auch der Zustand der jüdischen Friedhöfe. Schon zu kommunistischen Zeiten kam es oft zu Verwüstungen, Grabsteine wurden zerstört oder gestohlen und an Steinmetze wiederverkauft. Die Situation ist nicht besser geworden. Obwohl viele Zeitungen an das Verantwortungsgefühl der Tschechen appellieren, gibt es auch weiterhin Vandalen, die die Gräber beschmieren und zerstören. Fred Hahn zitiert dazu aus dem tschechischen `Reporter´: ''Legally these cemeteries and synagogues belong to the Jewish community, but morally they belong to the Czech people. Now, in the atmosphere of freedom, it is up to us whether they will be forgotten or become a living heritage worthy of steady honor and care.''
Im allgemeinen herrscht nun allerdings keine antisemitische Stimmung. Von diesem Vandalismus abgesehen, gibt es eher vereinzelt Organisationen, Personen oder Schriften, die sich gegen die Juden richten. Neben vereinzelten Publikationen von Hitlers ''Mein Kampf'' oder der ''Protokolle der Weisen von Zion'', wie oben bereits erwähnt, gibt es einige antisemitischen Zeitungen. Allen voran steht die neonazistische Wochenzeitschrift ''Tydenik Politika'', die im Dezember 1992 verboten wurde. Sie glänzte durch Schlagzeilen wie: ''The Influence of the Jews is Unbearable, We are a Colony of Tel-Aviv.'' Die Zeitung, die deutlich den Stürmer imitierte, hatte eine Auflage von 5.000 Stück und enthielt ebenfalls eine Liste mit antisemitischer Literatur, die im Handel momentan erhältlich waren.
Der Verband der jüdischen Gemeinden versuchte mehrmals dem Treiben ein Ende zu setzen und schrieb den Präsident der Nationalversammlung an. Im Dezember 1991 wurde ein neuer Paragraph ins Strafgesetzbuch eingefügt: ''Whoever supports or propagates movements which demonstrably are directed toward the suppressing of rights and the freedom of citizens or declare national, racist, class, or religious hate (as for instance fascism or communism) will be punished by loss of freedom from one to five years.'' . Trotzdem dauerte es noch bis Juli 1992 bis der Herausgeber der ''Politika'' wegen Verleumdung angeklagt wurde. Schließlich wurde die Zeitung zur Aufgabe gezwungen, nachdem eine Liste von 168 prominenten Juden, die im tschechischen Zeitgeschehen von Einfluss waren, und entsprechende Verleumdungen publiziert wurden. Seitdem gab es verschiedene Versuche, die Zeitung zu ersetzen, so übernahmen beispielsweise die monatlichen ''Pochoden dneska'' und ''Dnesek'' aus Brno die Themen der ''Politika'' . Die Prager Zeitung ''Spigl'' schreibt besonders oft über angebliche jüdisch-freimaurerische Finanzverschwörungen. Ebenfalls antisemitisches Sprachrohr ist die Wochenzeitung ''Republiku'', das Parteiblatt der Sdruzeni pro republiku - Republikanska strana Ceskoslovenska (SPR-RSC).
Die extrem rechte Partei erlangte bei den Parlamentswahlen im Juni 1992 6% der Stimmen, was 14 Sitzen im Parlament entspricht . Der Vorsitzende Miroslav Sladek greift vor allem Präsident Havel an und wettert gegen die Romas und den deutschen Revanchismus. Bei den Kommunalwahlen im November 1995 konnte die Partei allerdings nur 3% erlangen, was ein gutes Ergebnis bei den neuen Parlamentswahlen, die dieses Jahr am 1. Juni stattfinden werden, fraglich macht.
Von Chaim Frank
Die jüdische Bevölkerung spielte im Modernisierungsprozess der Agrarstaaten Südosteuropas seit dem 19. Jh. eine zentrale Rolle, die weit über ihren zahlenmäßigen Anteil hinausging.. In Bulgarien wurden alle Juden nach 1878 eingebürgert, im Unterschied z.B. zu Rumänien, wo sie bis nach dem Ersten Weltkrieg zumeist als Staatenlose der Willkür der Behörden preisgegeben waren. Erst nach 1878 gab es erstmals vereinzelte antisemitische Übergriffe. In den Jahren während des I. Weltkriegs, ab 1925 unter dem faschistischen Zankow-Regime und ab 1933 wurden antisemitische Ideologien und Aktivitäten stärker.
Am 24.Dezember 1940 schloss sich die bulgarische Regierung der deutschen Politik an und erließ das erste antijüdische Gesetz: das sogenannte Gesetz zum Schutz der Nation. In diesem Zusammenhang wurden die bulgarischen Juden registriert und verloren ihre bis dahin geltenden Rechte. Im Folgejahr 1941 wurden die getroffenen Maßnahmen auch auf die hinzugewonnenen Gebiete (Makedonien, Thrakien) erweitert.
In Kollaboration mit Nazi-Deutschland verschärfte Bulgarien 1942 seine Judenpolitik. Im Februar 1943 unterzeichnete der Kommissar für Juden, Belev, mit dem SS-Hauptsturmführer Dannecker die Vereinbarung, dass 20.000 Juden in die deutschen Ostgebiete deportiert werden sollten. Tatsächlich wurden dann ab März 1943 etwa 11.343 Juden (7.122 makedonische / 4.221 thrakische) nach Treblinka deportiert, wo sie ermordet wurden. Im Herbst 1943 wurden die antijüdischen Gesetze gelockert und schließlich im August 1944 gänzlich aufgehoben. Hier ist anzumerken, dass es der parlamentarischen und außerparlamentarischen Opposition, wie auch der orthodoxen Kirche zu verdanken war, dass weitere Deportationen verhindert wurden.
Nach dem Krieg, bis etwa 1951 wanderten über 44.000 Juden nach Israel aus, die restlichen, zumeist sephardische Juden (5.000) leben in Sofia und sind weitgehend assimiliert. Nach dem Zerfall des kommunistischen Regime wanderten zwischen 1990 bis 1995 rund 2.700 Juden nach Israel aus, so dass heute etwa 2 - 3.000 Juden in Bulgarien verlieben sind.
GEORGIEN / KAUKASUS
Von Chaim Frank
Wann sich die ersten Juden im Kaukasus niederließen, ist bis heute nicht mit Sicherheit zu sagen. Verschiedene Legenden erzählen, dass die ersten Juden bereits in frühester Zeit, vermutlich durch Salmanassar von Assyrien (722 v.) bzw. nach der Zerstörung des Reiches Juda durch Nebukadnezar (586 v.) in den Kaukasus gekommen seien. Erwähnungen über den Aufenthalt von Juden im Kaukasus finden sich jedoch bereits im Talmud.
Zwischen dem 10. bis 18. Jahrhundert, vor allem während der Christianisierung des Kaukasus wurden die Juden verfolgt und zu schwerster Arbeiten gezwungen. Viele der kaukasischen Juden traten, um den Verfolgungen zu entgehen, zum Christentum über. Ihre Lage verschlimmerte sich gegen Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts während der russisch-kaukasischen Kriege. Erst nach der Eroberung des Kaukasus durch die Russen wurden die Juden mit der übrigen kaukasischen Bevölkerung gleichberechtigt. Erst ab 1837 wurde ihr Residenzrecht anerkannt, allerdings verbunden mit einem Neuansiedlungsverbot. Etwa ab 1860 begann sich ein eigenständiges jüdisches Leben zu entwickeln, durch Neuansiedlung und auch durch Kontakte zwischen den georgischen Juden und den Bergjuden (s.u.) und über kulturelle und zionistische Organisationen.
Die jüdische Bevölkerung im Kaukasus zählte um die Jahrhundertwende etwas über 57.000 Personen und bestand aus zwei elementaren Gruppen: den eingeborenen kaukasischen Juden und den Einwanderern aus dem europäischen Russland. Die kaukasischen Juden bilden ihrerseits ebenfalls zwei Gruppen, nämlich die georgischen Juden und die Bergjuden. Die etwa 30.000 georgischen Juden leben hauptsächlich in den Städten und Dörfern der grusinischen Gouvernements Tiflis und Kutais. Sie sprachen georgisch (grusinisch) und unterschieden sich in ihrer Lebensart und ihren Gebräuchen kaum von den Georgiern. Die Bergjuden wohnten im Gebirge, vorrangig in den Bezirken Dagestan (Hauptstadt Derbend), Baku, Terek, Kuban, Jelisawetpol (später Gandscha). Die rund 15.000 Bergjuden sprachen einen iranischen Dialekt und kleideten sich wie die übrigen Kaukasier. Zu ihrer Tracht gehört gewöhnlich auch ein Schwert, das sie sogar beim Besuch des Gottesdienstes trugen. Sie waren in vielen Gebräuchen, Sitten und auch in Aberglauben stark von ihrer Umwelt beeinflusst. Die Hauptbeschäftigung der georgischen Juden war die Landwirtschaft, die Gärtnerei und der Wein- und Tabakanbau. Die Bergjuden trieben zusätzlich auch noch Vieh- und Seidenzucht, sowie Gerberei und Handel.
Während der Sowjetherrschaft und des Stalinismus blieb die kulturelle Autonomie der Juden im Kaukasus weitgehend unberührt.
Nach der deutschen Sommeroffensive, im Juli 1942, und der Eroberung des Elbrus, dem höchsten Bergs des Kaukasus, drang im Gefolge der Wehrmacht auch die Einsatzgruppe D unter dem Brigadeführer Walter Bierkamp (Einsatzkommandos 10a, 10b, 11 und 12) in den Kaukasus ein. Ihre ersten großen "Aktionen" gegen Juden fdührten sie im August 1942 durch: In Krasnodar und Ejsk wurden die Insassen von Anstalten und Kinderheimen in Gaswagen ermordeten. 500 Juden aus Krasnodar wurden am 21./22. August 1942 in einem Wald am Stadtrand, am 1. September 1942 500 Juden in Mineralnyje Wody erschossen. Am 9./10. September wurden die Juden aus Jessentuki und Kislowodsk gleichfalls nach Mineralnyje Wody gebracht und dort vom Einsatzkommando 12 erschossen. Insgesamt fanden über 6.000 Juden den Tod. Die Juden in Pjatigorsk wurden vom Einsatzkommando 12 im September 1942 in Gaswagen ermordet. Die restlichen Überlebenden, vor allem die zuvor benötigten Handwerker, wurden am 4./5. Januar 1943 in Kislowodsk ermordet. Die Einsatzgruppe D mordete im Nordkaukasus insgesamt etwa 10.000 Juden.
Im Nürnberger "Einsatzgruppen-Prozeß" wurde Werner Braune, der Führer des Einsatzkommandos 11, verurteilt und hingerichtet. Der Führer des Einsatzkommandos 10a, Kurt Christmann, hingegen wurde erst 1980 vom Landgericht München zu einer Haftstrafe verurteilt.
Die Jahrzehnte nach Stalin, Chrustschev, Breschnjev bis Jelzin verliefen für die Juden im Kaukasus relativ ruhig. Erst mit den Bestrebungen nach Unabhängigkeit und Loslösung von der Sowjetunion flackerte ein neu aufkommender Nationalismus in Georgien und im Kaukasus auf, der zahlreiche Juden in den Westen, vor allem nach Israel und Amerika, trieb. Der georgische Staatspräsident, Eduard Schewardnadse, ist zwar bemüht die Wirtschaftlichkeit seines Landes aufrecht zu erhalten als auch verschiedene alte Vorurteile seiner Landsleute gegenüber Minderheiten zu verhindern, doch ist die nächste Zukunft am Kaukasus äußerst ungewiss.
So erschien 1996 beispielsweise ein antisemitischer Artikel in der Tbiliser Zeitung "Noah", in der die Juden als "Vampire" bezeichnet wurden, die "Geld, Gold, Nerven und Ideen aus Georgien pumpen" und angeblich Schuld an der hohen Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise des Landes tragen. Schewardnadse verurteilte den besagten Artikel aufs schärfste und bezeichnete ihn als "faschistisch und voll Bigotterie", doch von seiner Warnung, dass er gegen Publikationen dieser Art energische Maßnahmen ergreifen werde, war nicht viel zu bemerken.
RUMÄNIEN
Von Chaim Frank
Die Juden Rumäniens waren stets und ständig antisemitischen Ausschreitungen unter verschiedenen Herrschern ausgeliefert und dienten als Sündenbock für unterschiedliche Auseinandersetzungen zwischen der herrschenden Schicht und den unzufriedenen Bauern.
Im 19. Jahrhundert, in den Jahren der russischen Okkupation, z.B. wurden über 200 'Judengesetze' erlassen. Viele dieser 'Judengesetze' dienten später dem nationalsozialistischen Regime als Vorbild. Von 1900 bis 1906 emigrierten über 70.000 Juden in Richtung Amerika. Diese starke Abwanderung erregte die Weltöffentlichkeit und veranlasste die amerikanische Regierung zur Absendung der sog. 'Hay-Note' (11.8.1902), die die europäischen Mächte auf die Missachtung des Berliner Vertrags (1878) durch Rumänien verwies.
Die nächste größere antisemitische Welle kam kurz nach dem Ersten Weltkrieg, die auch von der "Legion" getragen wurde: 1923 hatte Corneliu Codreanu nach dem Vorbild des italienischen Faschismus die nationalistische, antisemitische "Legion Erzengel Gabriel" gegründet, die sich ab 1931 "Eiserne Garde" nannte. Als diese Gruppierung bei den Parlamentswahlen 1937 drittstärkste Kraft wurde, kam es zum Verbot der Organisation. Codreanu, des Hochverrats angeklagt, wurde bei der Überführung von einem zu einem anderen Gefängnis erschossen. Auch nach seinem Tod blieb die "Eiserne Garde" aktiv. Auf Druck der Nationalsozialisten kam es 1940 zu einer Koalitionsregierung von General Ion Antonescu und Horia Sima, dem Nachfolger Codreanus, die ein enges Bündnis mit den Nazis praktizieren. Unter dieser Militärdiktatur werden die rumänischen Juden besonders brutal verfolgt, Schätzungen über die Zahl der Ermordeten schwanken zwischen 300.000 und 400.000.
Nach dem Krieg wanderten zahlreiche Juden nach Israel und Amerika aus, so dass 1990 in ganz Rumänien etwa nur noch 20.000 Juden lebten. Die Ausreise nach Israel wurde mit einer Auslösesumme belegt: die israelische Regierung oder jüdische Organisationen hatten dem rumänischen Staat für entstandene Kosten in Bildung und Ausbildung pro Kopf zu zahlen. Nach dem Sturz Ceaucescus kam es erneut zu einer Auswanderungswelle, so dass heute die Zahl der in Rumänien verbliebenen Juden zwischen 8 - 9.000 geschätzt wird.
Alte und Neue Rechte
(Red.)
1989 wurde die stalinistische Regierung Nicolai Ceausescus gestürzt, Ion Iliescu mit der neu gegründeten "Partei der Sozialen Demokratie" (PDSR) übernahm die Macht. Der bürokratische Apparat des alten Regimes blieb weitgehend erhalten und zahlreiche Politiker aus dem Umfeld Ceausescus blieben auf Posten in der neuen Regierung. Eine Auseinandersetzung mit der politischen Vergangenheit, etwa der ehemals gefürchteten Geheimpolizei Securitate, fand nicht statt. Dagegen gründete unmittelbar nach dem Sturz Ceausescus Vadim Tudor, ein ehemaliger Offizier dieser Geheimpolizei, die "Partei Großrumänien"(PRM), die sich dem Kampf gegen Verräter der rumänischen Nation verschrieb und offen sowohl gegen die ungarische Minderheit im Land, wie gegen Juden und Roma hetzt.
Sicherlich auch die Enttäuschung in der Bevölkerung über die Entwicklung nach der Wende führte 1996 zu einem Regierungswechsel: die PDSR wurde abgewählt und ein Bündnis aus Christdemokraten, Nationalliberalen und Sozialdemokraten, die "Demokratische Konvention für Rumänien (CDR) unter Emil Constantinescu gelang an die Regierung.
Armut bestimmt das Bild Rumäniens, dem nach Polen bevölkerungsreichsten und zugleich ärmsten der EU-Beitrittskandidaten. Druck von Seiten des IWF und der EU, die Privatisierung der Betriebe und Strukturanpassungsmaßnahmen zu forcieren, trugen zur weiteren Verschlechterung der Lebensbedingungen bei, Korruption und Mafiastrukturen weiteten sich aus, die soziale Situation verschärfte sich weiter. Die CDR-Regierung setzte auf nationalistische Propaganda, was ihre Regierungszeit allerdings nicht verlängerte. Bei den Wahlen im Dezember 2000 erreichte die PRM Tudors im ersten Wahlgang fast so viele Stimmen wie die Partei Iliescus, der schließlich als Sieger aus dieser Veranstaltung hervorging.
Nicht nur aktuelle nationalistische, rassistische und antisemitische Kampfparolen bestimmten die Politik in Rumänien. Schon 1991 inszenierte die PDSR im Parlament eine Gedenkminute zu Ehren Antonescus - die 1999 von der CDR zur Feierstunde ausgeweitet und zelebriert wurde. Die Rehabilitierung der faschistischen Vergangenheit ist ein Anliegen aller Machtstrukturen und sie wird nicht nur von der extremen Rechten Tudors betrieben - 1999 etwa wurde der 1940 für die Einführung der Rassegesetze zuständige Minister Ion Gigurtu von der Generalstaatsanwaltschaft offiziell rehabilitiert.
In den letzten Jahren wird eine zunehmende Intellektualisierung des rechtsextremen Diskurses erkennbar, der sich durch revisionistische Propaganda - Leugnen des Holocaust und Verharmlosung und Beschönigung der faschistischen Vergangenheit generell und faschistischer Organisationen speziell in Rumänien - auszeichnet. 1994 gründete sich eine Gruppe "Neue Rechte" (nicht zu verwechseln mit einer Naziorganisation gleichen Namens), die rege Kontakte zu westeuropäischen VertreterInnen der "Neuen Rechten", vor allem den Kreis um Benoist in Frankreich, unterhält und bei internationalen Konferenzen der Rechten auftritt. Sie berufen sich auf die Theorie des Ethnopluralismus und treten ein für eine Wiedergeburt nationalrevolutionärer Ideologie auf der Basis völkischer Ideen. Als kleine Randnotiz dieser Geschichte: ein ideologischer Vordenker dieser Theorie und Inspirator des italienischen Faschismus, Julius Evola war ebenfalls ein Verehrer Codreanus und gedachte seiner in einer Festrede zu seinem Todestag als "die ideale Verkörperung des Typs der arisch-römischen Rasse" (in: Civiltá, 1-Nr. 2 9/10, 1973).
Als ein Vordenker der rumänischen Gruppe "Neue Rechte" gilt Bogdan George Radulesco, der auch Begründer des rechtskonservativen Klubs "Acolade" in Bukarest ist. Radulescu verbindet in seinen Theorien Versatzstücke des traditionellen rumänischen Rechtsextremismus mit solchen der europäischen "Neuen Rechten". Eine andere Gruppe Neurechter gruppiert sich um den Verlag "Anastasia", eine rechtskonservativ-orthodoxe Institution und ihren Hauptvertreter Razvan Codrescu. Codrescu veröffentlicht zu Theorie der Neuen Rechten und ist Mitarbeiter der rechtsextremen Zeitschrift "Puncte Cardinale" in Sibiu.
In diesem Klima geriert sich der Faschist Vadim Tudor als Anwalt der Verzweifelten, Eckpunkte seiner Programmatik: extremer Nationalismus, Massenmobilisierung - und Liquidierung von Minderheiten. Zentral sind seine Angriffe auf Roma und Juden.
Antisemitismus nach 1990
Von Chaim Frank
Bereits im Mai 1990 war es zu der Schändung eines jüdischen Friedhofs in Tirgu Mures gekommen.
1992 schrieb das beliebte Bukarester Wochenblatt "Europa" ausführlich über die "Protokolle der Weisen von Zion", da dieses Pamphlet angeblich beweise, dass die Juden (damals wie heute) die Weltherrschaft anstreben wolle, und zwar mittels ihres Geldes und der Presse um Einfluss nehmen zu können auf die gesamte öffentliche Meinung in der demokratischen Welt. Andere, ähnlich orientierte Schmierenblätter schrieben über eine "jüdisch-freimaurerische" Verschwörung, welche nun auch auf den rumänischen Staat zunehmend Einfluss nehmen würde. Eine Umfrage, die im Dezember 1993 veröffentlicht wurde, ergab, dass rund 30 % der Rumänen lieber keinen Juden weder als Nachbarn noch als Arbeitskollegen haben würden.
Schon Mitte 1993 fiel sogar der "allgemeinen" westlichen Presse auf, dass " In Rumänien der Judenhass blüht". In der Nach-Ceausescu-Ära wurden alte nationale groß-rumänische Gedanken wieder wach, und - wie es eine jüdische Zeitung so trefflich formulierte - der Hass auf die Juden erreichte "geradezu zoologische Ausmaße". Als eines der beliebtesten Opfer der rumänischen Antisemiten (nicht bloß in der Presse), war bis zu seinem Tode 1994 der Oberrabbiner Moses Rosen. In frechster Weise spuckte die Bukarester Wochenzeitung "Europa" auf ihn und beschimpfte den Rabbiner als "die Quelle der antirumänischen Kampagne" und bezeichnete ihn in klassischer Manier "als Repräsentant einer internationalen Verschwörung mit dem alleinigen Ziel, das rumänische Volk zu verfluchen und die Wahrheit über die Judenpolitik des rumänischen Diktators Ion Antonescu während des Zweiten Weltkrieges zu verfälschen."
In die gleichen Flanken schlug auch die andere faschistoide Zeitschrift, die "Gazeta de Vest" und führte einen offenen Kampf für die Rehabilitierung der rumänischen Faschisten (als Bekämpfer des Sowjetismus) und schürte in diesem Zusammenhang eine breite antijüdische Kampagne vor der selbst der frechste osteuropäische Antisemit erschrak.
Die rumänische Behörde sah sich keineswegs - auch nicht nach ausländischer Empörung - veranlasst, irgend etwas dagegen zu unternehmen. Insofern ist es auch nicht zu verwundern, dass in nicht geringer Zahl romantisierende National-Bewegungen entstehen konnten, von denen einige sogar offen das Erbe der faschistischen "Eisernen Garde" beanspruchten und folglich sich fleißig bemühen die einstigen Verbrecher nun als "Helden" darzustellen.
Anfang 1994 kam es zu einer offenen, ja internationalen Kontroverse um die Rehabilitierung des faschistischen Diktators Antonescu, nach dem nämlich in einigen Städten Straßen umbenannt werden sollten.
Erst nachdem sich der Vorsitzende der jüdischen Anti-Diffamierungs-Liga in den USA, Abraham H. Foxman, in einem Protestschreiben die rumänische Regierung aufforderte, gegen die Versuche vorzugehen, Antonescus "Verantwortlichkeit für Kriegsverbrechen" zu vertuschen, sprach sich der rumänische Präsident Ion Iliescu gegen die Rehabilitierung des Faschisten-Führers Ion Antonescu in seinem Land aus. Foxman schrieb in seinem Brief an Iliescu unter anderem, dass die geplante Errichtung eines Antonescu-Denkmals in der von Bukarest 80 Kilometer entfernt liegenden Stadt Slobocia "das bisher schwerwiegendste Beispiel des Mangels an Sensibilität gegenüber den Leiden der Juden Rumäniens" sei.
Im Juni 1995 kam es beim Besuch von israelischen Autoren in Rumänien zu einem Eklat, dem antisemitische Reaktionen vorhergegangen waren. Der Journalist und Vorsitzende der ultra-nationalistischen Partei "România Mare"" (Großrumänien) Tudor, verlangte, dass der israelische Schriftsteller Saul Carmel in Rumänien zur persona non grata erklärt werden solle, da dieser "die Ehre des rumänischen Volkes verletzt" habe. Im Zuge der Abschlussfeierlichkeit waren die Kongress-Teilnehmer zu einem Empfang beim Staatspräsident Ion Iliescu geladen, zu dem ungeladen auch Vadim Tudor erschien. Daraufhin verließ die jüdische Delegation unter Protest gemeinsam mit Saul Carmel den Präsidentenpalast.
Wenige Tage später, ebenfalls im Juni, wurde erneut der jüdische Friedhof in Bukarest verwüstet, und zwar so arg, dass die Vertreter der jüdischen Gemeinde nicht mehr darüber hinwegsehen konnten und davon sprechen mussten, dass es sich hierbei "um den schwersten Vorfall dieser Art" handelte.
Die einst große Jüdische Gemeinde Rumäniens hält sich mit Forderungen nach Entschädigung zurück. Die jüngste antisemitische Hysterie liegt zwei Jahre zurück", schrieb 1997 eine deutsche Tageszeitung mit leicht vorwurfsvollem Unterton. Kein Wunder, denn über Jahrzehnte hinweg war das Motto eines jeden Ostjuden, wenn er sich nicht Repressalien aussetzen sehen wollte: "ducken und nur nicht auffallen".
Dabei "duckte" sich die Jüdische Gemeinde - zumindest unter Rabbi Moses Rosen - gar nicht. Immer wieder kam es zu "unangenehmen Aussprachen" seinerzeit unter Ceausescu genauso wie unter der Nachfolgeregierung, bei der sich die Jüdische Gemeinde von Bukarest eher selten zurückhielt. Im Sommer 1995 beispielsweise legte sie erstmals einen Gesetzesentwurf zur Rückgabe ihres einst von den rumänischen Faschisten und Kommunisten konfiszierten Eigentums vor. Die Folge war eine Welle antisemitischer Reaktionen, bei denen sich die extremistischen Parteien ausschließlich gegen eine Rückgabe richteten.
Der damalige Vorsitzende der Demokratischen Partei und Senatspräsident Petre Roman, der selber jüdischer Herkunft ist, meinte diesbezüglich: "Die Rückgabe jüdischen Eigentums ist eine sensible Angelegenheit. Wenn nicht auch andere religiöse Gemeinschaften ihr Eigentum zurückbekommen, dann kann das zu unerwünschten antisemitischen Reaktionen führen." Nun war das keine offensichtliche "Bitte eines Freundes" um Zurückhaltung?!
Auf die Flut von antisemitische Tendenzen im postkommunistischen Rumänien konnte die jüdische Gemeinde kaum noch reagieren, und wen hätte sie auch schon als "Fürsprecher" gehabt in einer Hochburg von Antisemiten? Ergo schwieg sie ... aus Vorsicht!
Weiterführende Literatur: Marianne Hausleitner: Antisemitismus in Rumänien vor 1945. In: Hermann Graml, Angelika Königseder, Juliane Wetzel (Hg.) Vorurteil und Rassenhass. Antisemitismus in den faschistischen Bewegungen Europas, Berlin 2001. Armin Heinen: Die Legion "Erzengel Michael" in Rumänien. Soziale Bewegung und politische Organisation, München 1986
ALBANIEN
Von Chaim Frank
Urkundlich nachweisbar lebten ab 1175 Juden in Albanien. Im Zuge der Vertreibung aus Spanien (ab 1792) kamen weitere, meist sephardische (von hebr. sefarat - Spanien, heute allg. Juden aus Afrika, Asien), und später auch süditalienische Juden hinzu. Im 20. Jahrhundert, zumindest bis vor dem II. Weltkrieg existierte eine einzige jüdische Gemeinde in Shkodra und eine weitere kleinere in Korza. Eine - allerdings wenig zuverlässige - Volkszählung des Jahres 1927 nennt 204 albanische Juden.
Nach der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 flohen Juden aus Deutschland und Österreich nach Albanien, das sich von 1939 bis zum September 1943 unter italienischer Herrschaft befand bis es von deutschen Truppen besetzt wurde. Bereits im Frühjahr 1942 lieferte die italienische Militärbehörde 51 Juden den Deutschen aus, die dann im Lager von Banjica erschossen wurden. Im April 1944 werden etwa 400 Juden, vorwiegend Flüchtlinge aus Europa, nach Pristina verschleppt, von wo über die Hälfte nach Bergen-Belsen deportiert wurden, die anderen kamen vermutlich im KZ-Jasenovac um.
Bis 1990 war jegliche Religionsausübung verboten, so dass es offiziell auch keine jüdische Gemeinde gab. Die kleine Anzahl in Albanien verbliebenen Juden lebten in Tirana und Valona.
Der Bürgerkrieg auf dem Balkan, vor allem die späteren Auseinandersetzungen im Kosovo, setzen Kräfte frei, die bis dahin weder in Albanien noch in den angrenzenden Gebieten bekannt waren. Obwohl Hashim Thaci, der Chef der albanischen Befreiungsarme im Kosovo im Juli 1999 der jüdischen Bevölkerung Schutz zugesichert hatte, kam es zu Bedrohungen, wie es der Vorstand der jüdischen Gemeinde, Cedda Prlincevic in einigen Interviews zum Ausdruck brachte. Nach Meinung von Prlincevic kam die Gewalt, alle Nicht-Albaner zu vertreiben nicht aus dem Kosovo, sondern aus Albanien. Bisher hatte es kaum einen Antisemitismus gegeben, weder von serbischer noch von albanischer Seite. "Wir wurden", so Prlincevic, "nicht von Albanern aus Pristina, sondern von Albanern aus Albanien vertrieben."
Schon früh hat die OSZE erkannt, dass die UÇK trotz gegenteiliger Behauptungen hinter zahlreichen Gewaltakten steckte: "Die Verwicklung der UÇK, die sich nun KSK nennt, ist von einem solchen Ausmaß, dass dies nur mit ausdrücklicher Unterstützung, zumindest aber mit stillschweigender Duldung der (UÇK) Führung geschehen kann, was dringend einer eingehenden Untersuchung der Internationalen Gemeinschaft bedarf." Laut Informationen des Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind seit Juni 1999 rund 250.000 Menschen aus dem Kosovo vertrieben worden, wohingegen die Schätzungen des jugoslawischen Außenministeriums sogar eine Zahl von ca. 350.000 nennen. Die Mehrzahl der Vertriebenen bestand aus Serben sowie Roma, Juden, Türken und anderen Minderheitengruppen.
Paul Polansky, ein Historiker, der 1999 von Juli bis etwa Jahresende zusammen mit Roma im Kosovo lebte, dokumentierte eindringlich die Diskriminierung der Roma-Bevölkerung. Vor dem Krieg - so Polansky - lebten die Roma in integrierten und gewachsenen Gemeinden gemeinsam mit anderen Volksgruppen, dann wurden sie "wegen ihrer Hautfarbe" ethnisch gesäubert. In seiner Dokumentation machte der Historiker außerdem auch auf die bewusst mangelhafte Versorgung der Roma mit Medikamenten, Lebensmitteln und Sicherheit durch die örtlichen Hilfsorganisationen aufmerksam.
Der eben erwähnte Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Pristina, Cedomir Prlincevic, wurde ebenfalls 1999 von der UÇK vertrieben. In einem Interview berichtete später, "als zwei Dutzend bewaffnete Männer in unsere Familienwohnung stürmten, erlitt meine 80 Jahre alte Mutter einen Herzanfall, weil es sie an Hitlers SS erinnerte, die 1943 auf die gleiche Weise ihre Wohnung gestürmt hatte". Mit der Vertreibung des Vorsitzenden sowie der übrigen Juden erlosch das alte jüdische Leben in dieser Region.
RUSSLAND (UdSSR, 1922-1991)
Von Chaim Frank
Der erste russische Pogrom fand im Zuge der Erhebung Wladimirs (der Monomach; 1113-1125) in Kiew statt. Es kam zu Plünderungen jüdischer Häuser und der Ausweisung der Juden aus der Stadt. Antijüdisches Verhalten war schon vorher, besonders durch den später heilig gesprochenen Mönch FEODOSIJ (11. Jahrhundert) aus dem Kiewer Höhlenkloster mit seiner eigenwilligen Askese eingeläutet worden: Er mahnte seine Gläubigen, sie sollte mit allen und jedem friedlich zusammen leben, außer mit den Juden.
Nach der Einnahme Kiews 1240 durch die Tartaren, verlagerte sich der Schwerpunkt des russischen Staatswesen Richtung Nordosten nach Moskau und allmählich mit ihm die kirchliche Tradition, einschließlich der antijüdischen Polemik. Obwohl es im Moskauer Staat kaum Juden gab, ereiferten sich Mönche mit judenfeindlichen Texten. Überliefert ist der Text eines SAWWA, der 1488 sein 'Sendschreiben gegen die Juden und Häretiker' verfasste. in dem er auch die gekürzte Fassung einer Predigt des Metropoliten Ilarion (um 1040-50 entstanden) einfügte.
Grausamer war es da schon unter Iwan IV., genannt 'Groznyj' (der Schreckliche), der nicht nur Juden aus seinem Land verbannte, sondern sie bei verschiedenen Anlässen verfolgen und ermorden ließ: Am 15.2.1563 bei der Eroberung der Stadt Plozk ließ er die Juden der Stadt in der Duena ertränken.
Auch unter den beiden Zarinnen hatte sich die Lage der Juden nicht verbessert. Die Juden wurden 1790 auf Drängen der Kaufmanns- und Kleinbürgerschaft von KATHARINA II. aus dem Kaufmannsstand ausgeschlossen und in Ansiedlungs-Rayons an der Westgrenze des russischen Reiches verbannt und mit doppelter Steuerzahlung belegt. Der kirchliche Anti-Judaismus unter dem Moskauer Metropolit Platon (Lewschin; 1737-1812) und dem Erzbischof Lawrentij (1776-1838) wurde fortgesetzt. Antisemitische Agitationen wurden unter dem ultrareaktionären Regime Zar Nikolaus I. (1825-55) fortgesetzt.
1825 kam es in Odessa zu Ausschreitungen gegen Juden, die sich 1841 und 1871 wiederholten und als Vorboten der Pogrome von 1881-1882 gesehen werden. Sie waren vorwiegend von kirchlicher Seite geschürt, wie jene Ritualmord-Vorwürfe die in Welizh (Gouverment Witebsk) 1823/24 und Sartow 1857, die alle wegen nicht erwiesener Schuld zu Freisprüchen führten.
1827 wurde ein neues Militärgesetz eingeführt, das einen 25-jährigen Militärdienst vorschrieb und auch die jüdischen männlichen Kinder erfasste, die bereits im Alter von 12 Jahren den Eltern entrissen wurden. Die Rekrutierung betraf etwa 70.000 jüdische Jugendliche und besonders zum Ende der Ausbildungs- bzw. Dienstzeit war der Übertritt zum Christentum verankert, respektive Bedingung. Dieses Gesetz wurde 1850 verschärft und noch bis 1874 beibehalten.
Mehrere Ritualmord-Anschuldigungen folgten, wie jener von Kutajsi in Georgien 1879 und der Kiewer-Prozess, bekannt geworden als der Fall Mendel Bejlis, der 1913 ebenfalls in einem Freispruch endete. In der Regierungszeit Alexander III. (1881-94) und Nikolaus II. (1894-1917) kam es zu mehreren Pogromwellen. Waren es vorwiegend die arbeitslosen Scharen großrussischer Bauern, als hauptsächliche Träger dieser Pogrome, so darf auch die beachtliche Mitwirkung der Gesamtbevölkerung und vornehmlich die groß angelegte Plünderung durch kleinrussische Bauern nicht übersehen werden.
Es erfolgten erste große Fluchtwellen nach Westeuropa und schließlich nach Amerika. Während und nach dem Russisch-Japanischen Krieg hatten Juden erneut Erniedrigungen und Ausschreitungen zu erdulden.
Der zweite große Pogrom fand Ostern 1903 unter der Agitation der 'Schwarzen Hundert' in Kischinew statt, schwappte im selben Jahr nach Gomel über. Unterschwellig flammte es immer wieder weiter, bis die Pogrome 1905 Hunderte von Ortschaften erfasste. Sie verliefen weitaus blutiger als jene der vorangegangenen Jahre (1881-1882).
Der damalige Innenminister W.K. Plewe (1846-1904) stellte diese Pogrome als Racheakte der christlich-patriotischen russischen Menschheit gegen die jüdischen Revolutionäre hin. Nach den Pogromen 1906 /07 verstieg sich die Wochenzeitung >Potschajewskij Listok
Dies war aber auch die Zeit der >Protokolle der Weisen von Zion<über angebliche Pläne zur Errichtung einer 'jüdischen Weltherrschaft', dessen eigentliche Herkunft unbekannt blieb. Sie erschienen 1905 als Anhang in einer Schrift von Sergej Nilus in Moskau. Nilus´ Pamphlet diente zur Bekämpfung liberaler Ideen und der Festigung des zaristischen Systems und dem Kampf gegen das russische Judentum. Der Echtheitsbeweis für die 'Protokolle' konnte nie erbracht werden, (Hg. das Pamphlet gilt als eine Fälschung der Geheimpolizei Ochrana und setzt sich zusammen aus vielen der bösartigen Mythen über Juden, die seit Jahrhunderten überliefert worden waren) sie waren aber millionenfach verbreitet und spielten als Kampfmittel der Antisemiten während der Pogrome 1918-20, später für die Nazi und bis heute eine unheilvolle Rolle.
Nach der Oktoberrevolution wurden 140 antijüdische Gesetze aufgehoben, bis zur Stabilisierung der sowjetischen Regierung erlebten Juden allerdings noch einige Pogromwellen. Zwischen 1917 und 1921 fanden rund 1.500 Pogrome in Weißrussland und der Ukraine statt, bei denen mehr 150.000 Juden umkamen.
Doch auch nach der Konstitution der Sowjets war es aber auch nicht viel besser. Wie jene der orthodoxen Kirchen, wurden jüdische Religionslehrer, religiöse Führer des Judentums (z.B. der Ljubawitscher Rebbe J.I. Schneersohn) vor sowjetische Gerichte gestellt und mit harter Zwangsarbeit bestraft. Unzählige Synagogen wurden geschlossen und in Werkstätten, Kaufhäuser, Geschäfte und Sporthallen umgewandelt. Die hebräische Sprache wurde als Instrument für zionistische Agitation gesehen und daher verboten. Die jiddische Sprache wurde zwar nicht verboten, wurde jedoch stark assimiliert: hebräische Worte mussten per Dekret phonetisch geschrieben (- hebräische Worte machen etwa 20 Prozent der jiddischen Sprache aus, sie sind nicht vokalisiert).
Die stalinistisch geprägte Nachkriegszeit brachte kaum Ruhe oder wesentliche Erleichterungen. Stalins Kampf gegen den 'Kosmopolitismus' führte zur Anklage, Verurteilung, Deportierung und Erschießung zahlreicher Juden. Wobei, und das wird zum Teil übersehen, vieles auch auf das Konto Lawrentij Berija's, einem eifrigen Handlanger Stalins, zugeschrieben werden muss. Ihre Opfer waren bedeutende Juden: Schauspieler, wie Michoels und Suskin (Hg. - beide, wie viele andere Verfolgte waren Mitglieder des Jüdisch- Antifaschistischen Komitees, einer Anti-Hitler-Koalition, vgl. Lustiger); dann, ab 1952, 26 jiddische Schriftsteller; und beim Ärzteprozess, mit Beschuldigung des Mordversuchs an Stalin, traf es Kapazitäten aus Medizin und Wissenschaft. Im Oktober 1959 kam es zu antisemitischen Gewalttaten in Malachowka, nahe Moskaus.
Erst die Chrustschov-Ära zeigte Anzeichen eines 'Tauwetters' bis etwa 1963. Nach seinem Sturz regte sich wieder vermehrt alte antisemitische Ressentiments, die sich besonders während der sogenannten Korruptions-Prozesse 1963/4 bemerkbar machten. 60% der ausgesprochenen Todesurteile betraf Juden.
In den nachfolgenden Jahren richtete sich die anti-jüdische Haltung in der Sowjetunion (sie betraf nun Juden auch in anderen Ländern Osteuropas), bezüglich der pro-arabischen Haltung aller Warschau-Pakt-Staaten, jeweils nach der Israelischen Außenpolitik oder militärischen Sieg Israels.
Unter Gorbatschov's 'Glasnost' und 'Perestroika'-Politik hat sich in diesen Jahren zunehmend eine nationale Bewegung, die slawophile Pamjat, Platz verschafft. In den Jahren nach 1989 (bis 1998) wanderten, aufgrund vermehrter antisemitischen Ausschreitungen, über 900.000 Juden aus, von denen alleine annähernd 700.000 nach Israel gingen.
Iwan Seleznev Im Zweiten Weltkrieg wurden Juden Opfer mehrerer Anschuldigungen: So wurden die Juden einerseits als 'Kollaboranten' der Deutschen betrachtet, und von den deutschen Faschisten wurden Juden, (abgesehen der rassistischen Ideologie) als 'Verbreiter des Bolschewismus' verfolgt und ermordet.
Tschechische Republik - Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit
Von Andrea Übelhack
Historischer Rückblick zum Antisemitismus
Es ist anzunehmen, dass es bereits in der Antike jüdische Siedlungen in den böhmischen Ländern gab, wofür es aber, ebenso wie bei den übrigen jüdischen Siedlungsgebieten in Osteuropa, kein ausreichendes Quellenmaterial gibt. Erste Belege finden sich für das 11. Jahrhundert, beispielsweise in den Chroniken des Cosmas von Prag . Allerdings kam es erst im 13. Jahrhundert zu einer kulturellen Blüte, was die hohe Anzahl der wichtigen Gelehrten aus dieser Zeit bestätigt. Die freie Entfaltung der Juden in Boehmen und Mähren ist vor allem durch die Sonderrechte zu erklären, die ihnen 1267 von Premysl Ottokar II. bestätigt wurden. Sie wurden dadurch zu Kammerknechten bestimmt, was sie sowohl der Gerichtsbarkeit und der Steuerhoheit des Koenigs und nicht der lokalen Obrigkeiten unterzog. Dadurch konnten die jüdischen Gemeinden völlig autonom in Verwaltung, Steuerwesen und Erziehung handeln. In Boehmen waren die Gemeinden auf dem Lande mit Prag durch das Oberrabbinat verbunden, erst im Laufe des 18. Jahrhunderts bildeten sich auf der Provinz zwei unabhängige Rabbinate. Die Verwaltung Mährens glich der in Polen, so wurde auch hier ein Wa´ad gebildet, der als Rat der verschiedenen Gemeinden tagte.
Mit dem Widerstand der Hussiten gegen die katholische Kirche wurde nicht nur die königliche Zentralgewalt, sondern auch die Stellung der jüdischen Gemeinden geschwächt. Immer öfter wurden religiöser Aufhetzungen von Pogromen gefolgt. 1454 kam es zur Vertreibung aus fünf mährischen Königsstädten, Brno, Olomouc, Znojmo, Jihlava und Nove Mesto, die sechste Stadt Uherske Hradiste, schloss sich 1514 an . Die Juden erhielten hier bis ins 19. Jahrhundert kein neues Niederlassungsrecht.
1526 wurden die Königreiche Böhmen und Ungarn in die Habsburger Monarchie eingebunden. Für die jüdischen Gemeinden in den tschechischen Ländern bedeutete das einen neuerlichen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung. Erst die sogenannten Familiantengesetze aus den Jahren 1726/27, die Karl VI. unter dem Druck der Stände erlassen hatte, sorgten für eine empfindliche Einschränkung, die bis zur Revolution von 1848 bestehen blieb. Die Zahl der jüdischen Familien in Boehmen wurde auf 8.541 und in Mähren auf 5.106 begrenzt. Nur jeweils ein Sohn erhielt das Recht, selbst eine eigene Familie zu gründen. Die Durchsetzung der Verordnungen erwies sich allerdings als schwierig, viele konnten die Gesetze umgehen, so dass die jüdische Bevölkerung trotz dieser Maßnahmen beträchtlich anstieg . Eine Folge der Gesetze war eine Steigerung der Polarisierung innerhalb des tschechischen Judentums zwischen den assimilierten Wohlhabenden und der großen Masse der ärmeren Juden, die das Geld für Bestechung nicht aufbringen konnten. So bezeichnet auch Ruth Kestenberg-Gladstein "zwiespältige innere Verhältnisse" als den Preis, "den die jüdische Gesellschaft in den böhmischen Ländern für Toleranzpatente und Aufklärung zahlen musste."
Eine neue Ära begann für die Juden mit den josephinischen Reformen, die nicht nur von den Ideen des aufgeklärten Absolutismus, sondern auch von jüdischen Aufklärern, Anhängern der Haskala, geprägt waren. Darunter war vor allem das Toleranzpatent für das böhmische Judentum von 1781 von Bedeutung. Den Juden wurde jede Form des Handwerks und des Handels gestattet, sie sollten zu nützlichen Bürgern geformt werden. Einen bedeutenden Einschnitt hatte allerdings die Einführung der allgemeinen Schulpflicht zufolge. Den Juden wurde zwar der Zugang zu Universitäten erlaubt, aber durch die weltliche Erziehung in den staatlichen Schulen kam es zu einem Verfall der jüdischen Tradition, der einen größeren Willen zur Assimilation nach sich zog.
Das Aufkommen der nationalen Bewegungen am Anfang des 19. Jahrhunderts brachte große Konflikte mit sich. Die Gegensätze zwischen Tschechen und Deutschen verschärften sich zunehmend, die Juden mussten sich für die Zugehörigkeit einer dieser Kulturen entscheiden. Bei den Tschechen war eine solche Annäherung allerdings keineswegs erwünscht, jegliche Akkulturationstendenzen, wie beispielsweise Versuche jüdischer Literaten, in tschechischer Sprache zu schreiben, wurde mit Verachtung quittiert. Der Assimilationswille wurde dann vor allem mit dem Scheitern der Revolution von 1848 gedämpft. So kam es weiterhin zu einer verstärkten Germanisierung der tschechischen Juden, was schon durch die josephinischen Reformen, die ein Netz von deutsch-jüdischen Schulen begründet hatten, veranlagt war. Erst ab den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts und mit der stärker einsetzenden Industrialisierung kam es zu einer erneuten Hinwendung zur tschechischen Kultur. Noch 1890 gaben 74% der Prager Juden Deutsch als ihre Umgangssprache an, 1900 waren es nur noch 45%.
Die Juden in Boehmen und Mähren assimilierten sich trotz allem viel schneller als ihre osteuropäischen Nachbarn. 1867 war hier die volle Gleichberechtigung gesetzlich garantiert worden. Damit waren aber erneute soziale Spannungen gegeben, denn die Tschechen identifizierten die Juden nicht nur mit Deutschtum, sondern auch mit der kapitalistischen Ausbeutung. Ende des 19. Jahrhunderts eskalierte schließlich die Lage. Nach dem Rücktritt der Wiener Regierung, deren Versuch, sowohl deutsch als auch tschechisch zur Amtssprache zu erheben, gescheitert war, kam es in ganz Boehmen und Mähren, vor allem aber sehr massiv in Prag, zu einem Sturm auf deutsche Institutionen und wenig darauf zu großen antisemitischen Ausschreitungen. In diese emotionsgeladene Zeit fiel auch die sogenannte Hilsner-Affäre. Am 1. April 1899 fand man in Nordböhmen ein ermordetes Mädchen, das eine große Schnittwunde am Hals hatte. Sehr bald wurde der Verdacht auf den jüdischen Schustergesellen Leopold Hilsner gelenkt. Man warf ihm vor, er habe das Mädchen aus rituellen Gründen ermordet, um ihr Blut beim Pessah- Fest zu benutzen. Die zweite Instanz unterstellte ihm sexuelle Motive, Hilsner wurde erneut zum Tode verurteilt, was aber in eine lebenslange Haft umgewandelt wurde. Erst 1916 konnte seine Begnadigung durchgesetzt werden. Der Bruder des ermordeten Mädchens gab schließlich 1961 zu, die Tat begangen zu haben.
Die Ereignisse führten schließlich bei Teilen des tschechischen Judentums zu der Erkenntnis, dass eine Assimilation weder an die deutsche oder die tschechische Kultur glücken würde, dass man vielmehr ein eigenes nationales Bewusstsein, den Zionismus entwickeln müsse. 1899 wurde die Jugendbewegung Bar Kochba gegründet. So entstanden zwei Pole im tschechischen Judentum, die zionistische Bewegung und diejenigen, die an einer deutschen oder tschechischen Assimilation festhielten. Letztere stürzten oft in eine tiefe Identitätskrise, als sie erkannten das auch die Assimilation keine wirkliche Anerkennung brachte.
Nach dem ersten Weltkrieg wurde die erste tschechoslowakische Republik gegründet. Ihr erster Präsident Tomas Masaryk, der durch sein Eingreifen in die Hilsner-Affäre oft als Judenfreund beschimpft wurde, wollte einen Staat auf den Prinzipien der Gerechtigkeit und Toleranz aufbauen. In dieser ersten Republik war Antisemitismus offiziell nicht akzeptiert, die Juden waren voll gleichberechtigt, auch wenn der Hass unterschwellig weiterlebte und schließlich im Faschismus wieder hervorbrach. Die humane Tradition von Masaryks Politik wurde zwar von Eduard Benes fortgesetzt, doch nach der Münchner Konferenz, trat offene antisemitische Propaganda zutage. Als schließlich am 15. März 1939 Hitlers Truppen einmarschierten, war die humane Republik am Ende. Von den 118.310 Juden aus den tschechischen Ländern konnten 26.100 emigrieren, 78.000 fielen dem Holocaust zum Opfer.
Nach dem Krieg und der kommunistischen Machtübernahme wurde zunächst eine freundliche Politik gegenüber Israel eingeschlagen. Die Tschechoslowakei war der wichtigste Waffenlieferant für den neuen jüdischen Staat, der gegen fünf arabische Armeen kämpfte. Außerdem wurden die Piloten der israelischen Luftwaffe hier ausgebildet. Diese Beziehungen wurden nach einer sowjetischen Kampagne abgebrochen, unter dem Druck des großen Bruders bekam der Antisemitismus eine neue Ausprägung, man sollte daher eher von ''Antizionismus'' sprechen. Den Höhepunkt dieser Propagandakampagne bildete der sogenannten Slansky-Prozess 1952. Dieser größte Schauprozess der tschechischen Nachkriegszeit führte zur Hinrichtung zahlreicher Juden, die hohe Stellungen innehatte. Die sowjetische Führung benutzte den Vorwand einer zionistischen Verschwörung, um die unbequemen Genossen auszuschalten. Der Prozess zog noch zahlreiche Verurteilungen in den folgenden Jahren nach sich.
Der Prager Frühling brachte für die Juden eine kurze Reprise der Masaryk-Zeit, nach dessen Niederschlagung flohen weitere 6.000 Juden aus dem Land. In den folgenden Jahrzehnten wurden die jüdischen Gemeinden streng überwacht. Bei den Versammlungen war immer ein Staatsangestellter anwesend. Der Gottesdienst war zwar erlaubt, doch Prag hatte 20 Jahre keinen Rabbi und man musste damit rechnen, im Job stark diskriminiert zu werden, wurde man in der Synagoge gesehen. So kam es, dass sich hauptsächlich alte Menschen zu ihrem Judentum bekannten, während sich die jüngeren Generationen oft scheuten bei der Gemeinde zu registrieren, auch um ihren Kindern das Leben zu erleichtern.
Das kommunistische Regime leugnete ebenfalls, dass der überragende Grossteil der Holocaust-Opfer Juden waren. So wurde auch die Pinkas-Synagoge in Prag, an deren Wand die Namen von annähernd 80.000 böhmischen und mährischen Juden, die im Holocaust umkamen, eingemeißelt wurden, 1968 zu einer angeblichen Restaurierung geschlossen. Tatsächlich wurde erst 1992 mit den Arbeiten begonnen, die Synagoge wurde anlässlich des Jom haShoah am 16. April diesen Jahres wiedereröffnet.
In der kommunistischen Ära wurden auch sehr viele antisemitische bzw. antizionistische Texte publiziert. Da sie ohne Zensur gedruckt werden konnten, ist anzunehmen, dass die hetzerischen Texte voll im staatlichen Interesse lagen. Die Juden in den tschechischen Ländern waren also von Anfang an großem Hass und Verfolgungen ausgesetzt, sei es aus religiösen oder ökonomischen Gründen. Ihre wirtschaftlichen Verdienste für das Koenigreich Boehmen im Mittelalter, ihr wichtiger Beitrag zur Industrialisierung und ihre verzweifelten Assimilationsbestrebungen wurden ignoriert. Die wenigen, die den Holocaust überlebten und in ihre Heimat zurückkehrten, wurden aufgrund der unklaren Eigentumsverhältnisse mit Ablehnung und neuer Diskriminierung empfangen. Die freie Religionsausübung wurde gestört, ihr Leiden im Holocaust nicht anerkannt, Theresienstadt wurde zu Propagandazwecken missbraucht. Viele der Juden wurden gezwungen, ihre Identität zu verleugnen.
Antisemitismus heute
Mit der samtenen Revolution des Jahres 1989 änderte sich vieles. Der Prager jüdischen Gemeinde gehörten 1992 nur etwa 1.000 Mitglieder an, Tendenz steigend, in der ganzen Tschechoslowakei waren es 3.000. Die Zahl der tatsächlich in Tschechien und der Slowakei lebenden Juden wird aber auf über 12.000 geschätzt . Die tschechische Presse entdeckte, dass man von den Juden, ihrer Kultur und Tradition fast nichts wusste. In der folgenden Zeit erschienen viele aufklärende Artikel, die Verdienste der Juden für die Tschechen wurde betont, die Schulen unterrichten jetzt über den Holocaust. Die Presse zitiert oft Masaryks Ausspruch, dass Antisemitismus nicht zu einer demokratischen Gesellschaft gehört.
Die jüdischen Gemeinden sind optimistisch und sehen ihre Chancen. Eine große Zahl Organisationen wurde gegründet, darunter die Kafka Gesellschaft, eine christlich-jüdische Gesellschaft, B´nai B´rith und Maccabi, die vor allem auch die Jugend ansprechen. Trotz allem werden einige antisemitische Bücher weiter verbreitet, vor allem ''Die Protokolle der Weisen von Zion''. Auf verschiedenen Buchmessen wurden zahlreiche Exemplare konfisziert, aber viele Bürger kritisierten die Behörden dafür, da sie ihr wiedererworbenes Recht auf freie Meinungsäusserung in Gefahr sahen. Weiterhin bedenklich bleibt auch der Zustand der jüdischen Friedhöfe. Schon zu kommunistischen Zeiten kam es oft zu Verwüstungen, Grabsteine wurden zerstört oder gestohlen und an Steinmetze wiederverkauft. Die Situation ist nicht besser geworden. Obwohl viele Zeitungen an das Verantwortungsgefühl der Tschechen appellieren, gibt es auch weiterhin Vandalen, die die Gräber beschmieren und zerstören. Fred Hahn zitiert dazu aus dem tschechischen `Reporter´: ''Legally these cemeteries and synagogues belong to the Jewish community, but morally they belong to the Czech people. Now, in the atmosphere of freedom, it is up to us whether they will be forgotten or become a living heritage worthy of steady honor and care.''
Im allgemeinen herrscht nun allerdings keine antisemitische Stimmung. Von diesem Vandalismus abgesehen, gibt es eher vereinzelt Organisationen, Personen oder Schriften, die sich gegen die Juden richten. Neben vereinzelten Publikationen von Hitlers ''Mein Kampf'' oder der ''Protokolle der Weisen von Zion'', wie oben bereits erwähnt, gibt es einige antisemitischen Zeitungen. Allen voran steht die neonazistische Wochenzeitschrift ''Tydenik Politika'', die im Dezember 1992 verboten wurde. Sie glänzte durch Schlagzeilen wie: ''The Influence of the Jews is Unbearable, We are a Colony of Tel-Aviv.'' Die Zeitung, die deutlich den Stürmer imitierte, hatte eine Auflage von 5.000 Stück und enthielt ebenfalls eine Liste mit antisemitischer Literatur, die im Handel momentan erhältlich waren.
Der Verband der jüdischen Gemeinden versuchte mehrmals dem Treiben ein Ende zu setzen und schrieb den Präsident der Nationalversammlung an. Im Dezember 1991 wurde ein neuer Paragraph ins Strafgesetzbuch eingefügt: ''Whoever supports or propagates movements which demonstrably are directed toward the suppressing of rights and the freedom of citizens or declare national, racist, class, or religious hate (as for instance fascism or communism) will be punished by loss of freedom from one to five years.'' . Trotzdem dauerte es noch bis Juli 1992 bis der Herausgeber der ''Politika'' wegen Verleumdung angeklagt wurde. Schließlich wurde die Zeitung zur Aufgabe gezwungen, nachdem eine Liste von 168 prominenten Juden, die im tschechischen Zeitgeschehen von Einfluss waren, und entsprechende Verleumdungen publiziert wurden. Seitdem gab es verschiedene Versuche, die Zeitung zu ersetzen, so übernahmen beispielsweise die monatlichen ''Pochoden dneska'' und ''Dnesek'' aus Brno die Themen der ''Politika'' . Die Prager Zeitung ''Spigl'' schreibt besonders oft über angebliche jüdisch-freimaurerische Finanzverschwörungen. Ebenfalls antisemitisches Sprachrohr ist die Wochenzeitung ''Republiku'', das Parteiblatt der Sdruzeni pro republiku - Republikanska strana Ceskoslovenska (SPR-RSC).
Die extrem rechte Partei erlangte bei den Parlamentswahlen im Juni 1992 6% der Stimmen, was 14 Sitzen im Parlament entspricht . Der Vorsitzende Miroslav Sladek greift vor allem Präsident Havel an und wettert gegen die Romas und den deutschen Revanchismus. Bei den Kommunalwahlen im November 1995 konnte die Partei allerdings nur 3% erlangen, was ein gutes Ergebnis bei den neuen Parlamentswahlen, die dieses Jahr am 1. Juni stattfinden werden, fraglich macht.
Zuletzt von Admin am 12/6/2012, 20:17 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
Re: Antisemitismus - Gestern und heute -
UKRAINE
Von Chaim Frank
Der seit 1991 unabhängige Staat Ukraine ist heute ein Bestandteil der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) im Südwesten der ehemaligen UdSSR. Vor dem Sowjetimperium war sie ein Zusammenschluss aus früheren Gouvernements Kiev, Jekaterinoslav, Podolien, Poltawa, Charkov, Cernigov, die aus Teilen früherer Gouvernements Odessa und Donjetz sowie einem Teil Wolhyniens bestand. Der Ursprung der Ukraine findet sich im Kiewer Russ, das zwischen dem 9. und 13. Jahrhundert auf diesem Boden bestand. Im 1238 drangen die Tataren, dann Litauer, Polen und Türken in das Gebiet ein. Der westliche Teil - Ost-Galizien und die Bukowina - wurde vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zum 1. Weltkrieg vom Hause Habsburg beherrscht wurde.
In der einstigen Ukraine (Ruthenien), deren Grenzen an Weißrussland, Polen, an die Bukowina und Bessarabien reichte, entstanden im westlichen Teil im Verlaufe des 16. Jahrhunderts zahlreiche jüdische Gemeinden. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts lebten in der Ukraine 45 Prozent der gesamten jüdischen Bevölkerung des Königreichs Polen. Um 1565 bereiste Cardinal Giovanni Francesco Commendoni (auch Commendone, Kardinal und Päpstlicher Nuntius, Venedig 17. 3. 1523 - Padua, 26. 12. 1584) die Ukraine und berichtete, dass die Juden hier Land besaßen, Handel trieben und ferner sich auch mit der Heilkunst beschäftigten. Hauptsächlich aber verdingten sie sich als Pächter (Arendare) für polnische Großgrundbesitzer. Sie genossen Vertrauen und erhielten darum auch die Staatssteuern in Pacht. Das Verhältnis zwischen den Grundbesitzern und den leibeigenen Bauern und Kosaken war in der Ukraine überaus schlecht und Aufstände waren nicht selten.. Die Juden wurden aufgrund ihrer Pächter-Stellung - sie mussten die Einnahmen für die polnischen Besitzer eintreiben - das Angriffsziel und Opfer des Hasses der Volksmassen und Aufstände.
1649 schlossen die Kosaken mit dem polnischen König Jan Kasimir Frieden unter der Bedingung, dass sich Juden ,,weder als Besitzer noch als Pächter noch als Einwohner in den ukrainischen Städten", also in den von Kosaken-Regimentern verwalteten Wojwodschaften wie z.B. im Gouvernement Cernigov, Poltawa, Kiew und einigen Gebieten in Podolien aufhalten durften.
König Kasimir seinerseits gestattete den von den Kosaken zwangsweise zum griechisch-orthodoxen Glauben bekehrten Juden wieder zu ihrem Judentum zurückzukehren. Im Jahre 1650 kam es erneut zu einem Krieg zwischen den Kosaken und Polen, an dessen Ende 1651 Chmjelnicki in einem Vertrag das Recht anerkennen musste, dass die Juden wieder "Einwohner und Pächter auf den Gütern seiner kgl. Gnade und der Schlachta (Adel)" zu sein haben.
Bis ins 18. Jahrhundert kam es immer wieder zu Pogromen. Besonders während der häufigen Aufstände der Hajdamaken, Gruppen von entlaufenen leibeigenen Bauern und Kosaken, die sich an ihren polnischen Grundbesitzern rächten, kam es zu Exzessen mit Plünderungen und Morden an jüdischen Pächtern. Besonders grausam - und das blieb lange in der Erinnerung der osteuropäischen Juden verhaftet - war die Verwüstung von Uman durch die Haidamaken, wo rund 20.000 Juden und Polen umgekommen sein dürften.
Im Juli 1721 erließ der Heitmann Skoropadsky den Befehl, dass sämtliche Juden, die nicht bereit seien zu konvertieren, bis zum Oktober auszuweisen seien. Ähnliche Befehle gab es immer wieder im Verlauf der ukrainischen Geschichte.
Im späten 18. Jahrhundert entwickelten sich im podolischen Rayon unter Führung des großen Ba'al Schem-Tov und seinen Nachfolgern die chassidische Bewegung, die sich rasch über die Ukraine und später weit über ihre Grenzen hinaus verbreitete. Der größte Teil der jüdischen Bevölkerung lebte damals in den Schtetls der westlichen Ukraine, wo sie die häufig die Mehrheit der Einwohner ausmachte. Sie waren Handwerker, Händler, Pächter, Kleinlandwirte und ein nicht geringer Teil war als Bauern tätig. Die Juden waren fromm und lebten in einer sozial-homogenen Gemeinschaft, in der die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufkommenden Haskala-Bewegung (Aufklärung) über einem großen Zeitraum kaum Einfluss gewann, ebenso wenig die Bewegung Chibbat Zion (Liebe Zions, ein Vorläufer der späteren zionistischen Bewegung). Das änderte sich mit der Häufung antisemitischer Übergriffe, vor denen ein großer Teil der jüdischen Bevölkerung in den Westen, nach Deutschland, Frankreich, in die USA, nach Kanada und schließlich nicht minder nach Palästina floh.
1917, nach der Revolution in Russland, regten sich in der Ukraine Bestrebungen nach Selbständigkeit, was in eine nominell unabhängige "Volksrepublik" mündete. Das am 9. Januar 1918 erlassene "Statut der personalen Autonomie in der Ukrainischen Volksrepublik" gewährte den Juden als "nationaler Minderheit" eine nationale Autonomie gewährt: Wie andere Minderheiten sollten Juden einen Nationalverband mit einem jüdischen Nationalrat gründen, ein "Ministerium für jüdische Angelegenheiten" wurde geschaffen. Dieser günstige Zustand war jedoch nur von kurzer Dauer, denn schon bald tobte in Russland ein Bürgerkrieg, die Ukraine war einer der Hauptschauplätze - auch von Pogromen. Im Friedensvertrag des Jahres 1920 wurde die Ukraine eine Republik des Sowjetstaates, einige westliche Teile, Wolhynien und Ostgalizien, fielen an Polen und die Bukowina und Bessarabien wurden Rumänien angegliedert.
Bis tief in die 30er Jahre trieben Teile der geschlagenen national-ukrainischen Armee Petljuras ihr Unwesen und organisierten sich in paramilitärischen nationalistischen Gruppen, von denen vor allem die berüchtigte ORGANISAZIJA UKRAINSKICH NAZIONALISTIW auf die jüngere Generation der nationalen Ukrainern einen großen Einfluss übte.
Im Zuge von verschiedenen Auseinandersetzungen wurden im September 1939 die westlichen Teile der Ukraine - Wolhynien und Ostgalizien - und im Juni 1940 die nördliche Bukowina und Bessarabien von der Sowjetunion annektiert. Während der 30er Jahre waren die Juden in der Ukraine in fast allen Berufssparten vertreten, es wurde ein aggressiver Assimilationsprozess betrieben und als im September 1939 die restliche Ukraine der Sowjetunion angegliedert wurde, kam durch Stalins Politik zu unzähligen "Säuberungen", denen Tausende Juden zum Opfer fielen.
Am 22. Juni 1941 griff das nationalsozialistische Deutschland die Sowjetunion an und die Deutschen okkupierten bis zum Oktober 1941 fast die ganze Ukraine. Ein großer Teil der ukrainischen Bevölkerung begriff den Einmarsch Akt als "Befreiung". Diese Ansicht vertraten auch zahlreiche ukrainische Persönlichkeiten, unter ihnen auch die Führer der unierten Kirche, wie der Erzbischofs Andrej Sheptytsky und auch die meisten Häupter der autokephalen orthodoxen Kirche der Ukraine.
Nicht wenige junge Ukrainer bewarben sich zum Hilfsdienst bei verschiedenen Einheiten der Wehrmacht, Polizei und SS: die deutsche Heerführung vermeldete Ende 1943, dass eine eigene ukrainische SS-Division mit Freiwilligen aus Ostgalizien als Teil der Waffen-SS aufgestellt werden konnte. Diese Division und die Einsatzgruppen C und D ermordeten Hunderttausende von Juden, Roma und andere als Kommunisten oder Partisanen Verdächtige. Die von den ukrainischen Nationalisten erhoffte "Befreiung" erwies sich sehr rasch als Lug und Trug, denn die Deutschen beabsichtigten nicht, der Ukraine ihre Unabhängigkeit zurückzugeben, sondern die Ausbeutung des landwirtschaftlich reichen Landes. Während die Bevölkerung in der Ukraine hungerte, wurden vor ihren Augen Unmengen von Korn, Rohstoffe und Lebensmittel ins Deutsche Reich verfrachtet und Hunderttausende Menschen als Zwangsarbeiter deportiert.
Im Westen der Ukraine kam es durch Milizeinheiten und unter Beihilfe der örtlichen Bevölkerung zu Pogromen, bei denen die ohnehin schon leidgeprüften Juden ihres Eigentum beraubt, jüdischen Einrichtungen zerstört und Tausende Juden ermordet wurden.
Wie in den übrigen besetzten Gebieten wurden in zahlreichen Städten Ghettos und in ländlichen Regionen Konzentrationslager errichtet. Juden mussten den gelben Stern, Armbinden oder andere Kennzeichnungen tragen. Massenerschießungen und der Einsatz von Gas-Wagen standen auf der Tagesordnung der Sonderdienste. Die ersten größeren systematischen Morde fanden bereits im September 1941 statt: Am 19. September in Schitomir, annähernd die gesamte jüdische Bevölkerung, etwa 10.000 Menschen, wurden getötet. Zwischen 29. und 31. September, nach der Besetzung Kiews, wurden Tausende Juden in die nahegelegene Babi Jar Schlucht geführt, wo sie ermordet wurden. 15.000 Juden fanden am 13. Oktober 1941 in Dnjepro-Petrowsk bei einer Massenerschießung den Tod. In der zweiten Dezember-Hälfte wurden Juden von Charkow zunächst bis Januar 1942 in einer Traktorenfabrik zusammengepfercht, ehe man auch sie bestialisch in der Schlucht von Drobizki Jar ermordete. Die Einsatzgruppen C, D und E samt ihrer ukrainischen und rumänischen Helfershelfer durchzogen die Ukraine von Weißrussland bis hinunter nach Odessa und zur Krim und hinter ihnen färbte sich nicht nur die Erde, sondern auch der Dnjestr, Dnjepr, Bug und andere Flüsse rot vom Blut ihrer Opfer.
Die Niederlage der Deutschen Anfang 1943 bei Stalingrad markierte zwar einen militärisch wichtigen Wendepunkt, aber das Morden und die Deportationen von Juden und sogenannten "rassisch minderwertigen Menschen" in die Vernichtungslager lief bis 1944 ungehemmt weiter. Es gab Widerstand: Tausende Juden versuchten zu fliehen, es kam in etlichen Ghettos zu Aufständen, z.B. in Tucin oder Luzk, und sogar zu bewaffneten Widerstand, wie in Brody, Winnici, Jaktorov, Busk, Jaworov, Kurowice und Rogatin. Einige der geflohenen Juden gründeten eigene jüdische Kampfverbände oder schlossen sich bestehenden weißrussischen und sowjetischen Partisanengruppen an.
Im Spätherbst 1944 wurde die westliche und 1945 die transkarpatische Ukraine befreit. Wenig später kehrten die wenigen überlebenden Juden aus den zahlreichen KZs und Vernichtungslagern in ihre einstige ukrainische Heimat zurück. Doch bald schon, ähnlich wie in Polen, Rumänien und Ungarn kam es auch in der Ukraine zu antisemitischen Exzessen, wie z. B. in Kiew, weil sich die ukrainische Bevölkerung inzwischen im ehemaligen jüdischen Eigentum breit gemacht hatte.
Die Pogrome und der unterschwellige Hass ließen zahlreichen Juden, vor allem organisiert durch die Bericha, (hebr. Flucht, Entkommen -Nachkriegswanderungen jüdischer Überlebender vor allem aus Osteuropa und deren Organisationen. Die Bericha ist mit annähernd 250.000 Juden, denen ,it ihrer Hilfe die Flucht gelang, die größte illegale Hilfsorganisation der Gegenwart) nach Israel und Amerika auswandern.
Die jüdische Bevölkerung in der Ukraine vom Ende des 16. Jahrhunderts bis 1959 (entnommen aus: Enziklopedia schel ha-Shoa, Sifrat Poalim, Tel Aviv.)
Ende des 16. Jahrhunderts
45.000
Volkszählung 1648
150.000
Tatsächlich gab es am Vorabend der Massaker von 1648-1649 über 300.000 Juden, doch viele entzogen sich der Volkszählung.
Volkszählung 1764
258.000
Volkszählung 1847
600.000
Die wirkliche Zahl betrug 900.000, doch entzogen sich wiederum viele der Volkszählung; außerdem standen damals Ostgalizien und die Bukowina unter habsburgischer Herrschaft, so daß ihre jüdische Bevölkerung nicht mitgezählt wurde.
Volkszählung 1897
1.927.268
Ohne Ostgalizien und die Bukowina
Volkszählung 1926
1.574.391
Ohne Wolhynien und Ostgalizien (die zu Polen gehörten) u. die Bukowina (Rumänien)
Volkszählung 1939
1.532.827
Wie oben
Anfang 1941
2.400.000
Ohne die transkarpatische Ukraine und die Krim
Volkszählung 1959
840.314
Die frühen Nachkriegsjahre der Ukraine waren bis zu Stalins Tode im Jahr 1953 von dessen repressiver Politik geprägt: Etliche ukrainisch-jiddische Schriftsteller waren bis 1952 hingerichtet worden und auch der sogenannte "Ärzte-Prozess" (à Russland), war im Gedächtnis der Juden in der Ukraine präsent.
Der kurze "Frühling" - oder wie man es damals nannte: das "Tauwetter", mit dem Chrustschov seine Politik in der UdSSR der 60er Jahren prägte, war nur von kurzer Dauer. Nach seinem Sturz versuchten zigtausend Juden die Sowjetunion zu verlassen, wobei der größte Teil über Rumänien, Ungarn und bzw. Wien nach Israel emigrierten.
Bis zum Auftritt des Parteichefs Michail S. Gorbacev 1988 war es kaum möglich, die Sowjetunion auf legalem Weg zu verlassen. Seine "Glasnost" und "Perestroika" Politik brachte einerseits eine gewisse Demokratisierung in Form von Lockerung und Freiheit, andererseits ermöglichte sie auch - quasi als negative Erscheinung darin - eine freie Entfaltung von nationalem Chauvinismus in allen Teilen der Sowjetrepubliken.
Dieser neue Nationalismus wurde ab 1990, nachdem Elzin an die Macht gelangte, immer breiter spürbar. Elzins Politik und die immer massiver auftretenden nationalistischen Gruppen, die in der Ukraine vor allem die Ruch-Bewegung repräsentierte, trieben erneut - diesmal (bis 1999) fast 900.000 Juden aus dem ehemaligen Gebiet der UdSSR in den Westen. Seit den frühen 90er Jahren nahm der Antisemitismus in den osteuropäischen Ländern enorm zu. In vielen Teilen der GUS kam es immer wieder zu Ereignissen, die nicht bloß die Juden erschrecken ließen.
Anfang Juli 1992, auf einer vom Jüdischen Weltkongresses in Brüssel organisierten Tagung mit dem Thema "Antisemitismus in einer sich ändernden Welt", war auch der ukrainische Präsident geladen. Er bekundete seinen "Willen zur Zusammenarbeit zwischen Ukrainern und Juden". Zugleich - und das war neu in der ukrainischen Geschichte - bekannte sich Krawtschuk zur Mitschuld seiner Heimat an den während des Nationalsozialismus verübten Massakern bei denen Zehntausende, zumeist jüdische Opfern, u.a. in der Schlucht von Babi Jar bei Kiew, ermordet wurden. Darüber hinaus betonte er, dass inzwischen in der Ukraine ein Minderheitengesetz verabschiedet worden sei, mit dem auch den Juden eine kulturelle Autonomie zugestanden werde.
Präsident Krawtschuk verwies auf dieser Tagung auf das Wiederaufleben der jüdischen Gemeinschaft: 23 jüdische Gemeinschaften seien gegründet worden und die Gesellschaft der jüdischen Kultur in der Ukraine verfüge bereits in fast 60 Städten über Niederlassungen. Im Zuge dieser "Renaissance" hätten die Juden inzwischen - mit 480.000 Angehörigen nach den Russen die zweitgrößte Minderheit in der Ukraine - auch etliche jüdische Schulen, Synagogen und Theater eröffnet und eigene Zeitungen gegründet. Soweit stimmte der Bericht Krawtschuks in Brüssel. Er verschwieg jedoch, dass der Antisemitismus neben der Ruch- und UNSO-Bewegung (UNSO - Ukrainische Nationale Selbstverteidigung, eine ultranationalistische Organisation) vor allem auch von der ukrainischen Kirche, unter der Führung ihres Metropoliten Filaret, geschürt wurde. Selbst der Apostolische Exarch der katholischen Ukrainer in Deutschland, Bischof Platon Kornyljak, warnte vor dem "Gift des Antisemitismus" und forderte, "dem Antisemitismus wie auch dem extremen Nationalismus in allen seinen Formen zu widerstehen".
Kornyljak wusste, wovon er sprach, denn spätestens seit 1993 war bekannt, dass die Ukrainischen Nationalisten mit dem Segen der Orthodoxen und der Unterstützung der Armee eine paramilitärische Freiwilligentruppe, mit dem Ziel "eine Großukraine" zu schaffen, aufbauten.
Anders als die demokratischen Parteien und Gruppierungen beherrschten die Leute der UNSO-Bewegung die Straßen. In Lwow (Lemberg), eines ihrer Zentren, konnte man zu dieser Zeit Verkaufsstände sehen, die voll waren mit nationalistischen Broschüren, Plakaten und Flugblätter. In Kiew und anderen ukrainischen Städten sammelten sie Unterschriften und Geld "für ihre Sache", den Aufbau einer paramilitärischen Truppe. Dieses Agieren störte oder kümmerte die ukrainischen Behörden offenbar nicht. So kam es, dass einige Mitglieder der UNSO in Moldova, jener Dnjestr-Republik, wo 1992 ein blutiger Bürgerkrieg tobte, für deren Anschluss an die Ukraine kämpften. Befremdend war auch die Tatsache, dass nicht nur ausgezeichnete Beziehungen zwischen dieser paramilitärischen Gruppe und der Armee bestanden, sondern auch, dass ihre Kontakte zu Offizieren es ermöglichten, dass Teile der UNSO-Gruppe Truppenübungsplätze für ihre Trainingszwecke nutzen konnten.
In ihrem "Kampf gegen Russland und gegen die Amerikanisierung der Ukraine" wurden und werden diese paramilitärischen "Ultranational-Krieger" von der ukrainischen Kirche unterstützt, wie durch Filaret, den selbsternannten Patriarchen und ehemaliges Oberhaupt der "Ukrainischen Autokephalen Orthodoxen Kirche". Insofern war es auch nicht verwunderlich, dass gerade bei den von Filaret geführten Gottesdiensten "UNSO-Krieger" vor den Kirchen anwesend waren, um Gläubige vor etwaigen Attacken ihrer Gegner zu schützen.
Davon abgesehen lagen in etlichen Städten, zwischen Lwow und Kiew, an Kiosken die Organe und ähnliche publikatorische Machwerke der ukrainischen Faschisten aus. Beispielsweise fand man dort die "Stimme des Volkes" oder "Der Nationalist" und auch als Broschüre "Die Protokolle", die als ukrainische Übersetzung in einer Massenauflage existiert. Gelegentlich konnte man auch junge Soldaten in Kiew und anderen Städten, in den Parks herumkauernd sehen, wie sie - ebenfalls in feinster Übersetzung - Hitlers "Mein Kampf" lasen. Völlig die Geschichte verdrehend, thematisierte so manches Flugblatt das Kapitel der ukrainischen Partisanen , etwa aus der Zeit nach 1942, die zunächst gemeinsam mit der Wehrmacht und später alleine versuchten, einen unabhängigen ukrainischen Staat zu erkämpfen. "Ukraine den Ukrainern!" wetterte es aus den Pamphleten, als auch Sätze wie: "Wenn Ihr Amerika nicht nur durch das Fenster eines Reisebusses sehen wollt, sondern durch die Luke eines Panzers, dann tretet in die UNSO ein".
Anfang Januar 1994 kam es zu einem versuchten Sprengstoffattentat auf die Zentrale der ukrainischen Nationalbewegung "Ruch" und den Ruch-Sekretär Bojcinin. Die Ruch war längst keine kleine national-politische Vereinigung mehr, sondern konnte bei den Parlamentswahlen 1994 auf ein großes Wählerpotential blicken. Bereits der Wahlkampf war von zahlreichen Übergriffen gegen Kandidaten überschattet, bald darauf wurde der Vizechef der Ruch, Mihailo Bojcinin, entführt und als dieser nicht wieder auftauchte, vertraten seine Parteifreunde die Ansicht, dass er "einem Rollkommando der Mafia zum Opfer gefallen" sei. Weitere Vertreter aus den Kreisen der national-ukrainischen Faschisten waren ebenfalls Attacken ausgesetzt, wie der Kandidat der "Ukrainischen Nationalen Selbstverteidigung" (UNSO), in Tarnopol.
In Lwow zogen Beamte der Inneren Sicherheit einen Kandidaten der rechts-faschistischen "Ukrainische Staatliche Selbständigkeit" vorübergehend aus den Verkehr, nach dem er während eines TV-Magazins seine Wählerschaft zu antisemitischen Pogrome aufforderte.
Einige Abteilungen der paramilitärischen Gruppen geben eine "demokratische Haltung" vor. So meinte der Kommandant der UNSO, Dmitro Korcinski 1994 während des Parteitag der Rechten zu einem Journalisten: "Unserer Organisation kann jeder beitreten, ohne Rücksicht auf die Nationalität", denn "unsere Aufnahmeformulare enthalten keine Rubrik für die Nationalität". Diese "Haltung" konnte auch in seiner Partei-Zeitung, der "Zamkova Hora" (Schloßberg), nachgelesen werden, wo Korcinski u.a. schrieb: "Wenn Ihr den Treue-Eid leistet, so legt eure Hand auf was immer ihr wollt: aufs Evangelium, den Koran oder die Tora."
Aus dem UNSO-Blatt "Holos Nacji" (Volks-Stimme) hingegen dringen andere Töne zum Leser: "Alle Menschen sind Deine Brüder, aber die Moskowiter, Polaken, Ungarn, Rumänen und Juden sind Feinde Deines Volkes. Nimm Dir keine Ausländerin zur Frau, denn Deine Kinder werden Deine Feinde sein. Befreunde Dich nicht mit den Feinden Deines Volkes, denn damit gibst Du ihnen nur Kraft und Mut." Das war nichts neues, sondern der billige Abklatsch von "Theorien", wie sie zwischen dem I. und II. Weltkrieg von den "alten" ukrainischen Nationalisten vertreten wurden.
Zwar wurde bereits im November 1993 der Versuch unternommen ein Gesetz zu verabschieden, das die Bildung und Finanzierung von paramilitärischen Einheiten (vor allem die außerhalb des Landes einzusetzenden) unterband. Seit 1991, also seit ihrer Gründung in Moskau während der Putsch-Tage im August, konnte sich aber die UNSO-Organisation auf 24 von insgesamt 26 Regierungsbezirken in der Ukraine ausdehnen und zählt gegenwärtig etwa sechs- bis siebentausend Mitglieder.
Die anfängliche strikte "antirussische" Haltung der UNSO, die seinerzeit vor allem in Moskau die ärgsten Feinde der ukrainischen Unabhängigkeit vermuteten, wurde längst gemildert beziehungsweise abgelegt, zumal seit langem schon innige Kontakte zu panslawistische Bewegungen und zu Mitgliedern der " Liberaldemokraten", besonders zu Schirinowski, gepflegt wurden. Dies bewies nicht zuletzt der "Parteitag" im Dezember 1993, auf dem sich in Kiew Vertreter der nationalistischen Parteien und Organisationen des gesamten ehemaligen Ostblock trafen, und wo Schirinowski zum Vorsitzenden der hier gegründeten "Slawischen Sammlungsbewegung" auserkoren wurde. Als dessen Stellvertreter wurde der polnische Faschist Boleslaw Tejkowski bestimmt, der sich in der Vergangenheit immer wieder wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhass zu verantworten hatte.
Wie sorglos das ukrainische Parlament, und mehr noch das Justizministerium in Kiew mit diesen radikal-faschistischen Gruppen umging, bewies alleine schon die Tatsache, dass die rechtsextremistische "Ukrainische Nationale Versammlung" (UNA) im Dezember 1994 offiziell vom Kiewer Justizministerium als "Partei" zugelassen wurde, obwohl es längst hinreichend bekannt war, dass ihre rund 4 ½ Tausend Anhänger als militante Nationalisten gelten.
Seit Mitte der 90er Jahre gibt es in zahlreichen Städten und Gegenden in der Ukraine Hetzkampagnen gegen Juden, Roma und anderen "Nicht-Ukrainern". Die jüdische Bevölkerung zählt heute weniger als 1 Prozent (von 52 Millionen Bewohnern) der Ukraine, die Mehrheit machen ältere Menschen.
Vielerorts treten immer wieder Anhänger des Moskauer Faschisten Alexander Barkaschow offen in Erscheinung. Die "Barkašovzi", wie sie allgemein bezeichnet werden, tragen ähnlich wie ihre "Kollegen" in anderen Ländern, schwarze Armbinden, auf denen auf einem hellem Kreis ein stilisiertes Hakenkreuz zu sehen ist. Mit lauten Parolen fordern sie eine Süd-Ukraine ohne Juden und Zigeuner, und wünschen das Wohnrecht in der Ukraine auf "reine slawische Bürger" (d.h. Russen, Ukrainer und maximal auch Belorussen) begrenzt zu sehen.
Die Proteste der jüdische Gemeinden, besonders der Vorwurf, dass die Sicherheitsorgane ,,untätig gegenüber diesen Rassisten" sind, verhallte vor den offiziellen Stellen. Wie überall in Osteuropa haben auch hier, in der Ukraine, die Juden zu Tausenden das Land verlassen und emigrierten in den "sicheren Westen", wo sie nun als ein wichtiger Bestandteil der jüdischen Gemeinden zu bemerken sind. So hat nicht nur der Stalinismus und der Hitlerismus sondern auch der Chauvinismus des 21. Jahrhunderts dazu beigetragen, dass auf schmerzlichster Weise eine Jahrhunderte alte Symbiose von Slawen und Nicht-Slawen zerstört werden konnte; ... eine traurige Erkenntnis nach allen Kriegen und der Shoah!
Quellen: (zu den Artikeln von Chaim Frank, sofern sie nicht im Text genannt wurden) Historische Teile: Hilberg: Die Vernichtung der europäischen Juden; 3 Bd.; Jüdisches Lexikon, 5 Bd., Berlin 1929 Lexikon des Holocaust; 3 Bände Aktuelle Teile: Mitteilungs-Blatt (Dokumentations-Archiv); München, 1988-1995 Mitteilungs-Brief (Dokumentations-Archiv); München, 1988-1995 Allgemeine Jüdische Wochenzeitung, Bonn / Berlin, 1980-2002; Die Gemeinde, Wien, 1980-2002; Illustrierte Neue Welt, Wien, 1990-2002; Israelitisches Wochenblatt, Zürich, 1988-1997; Moskau News, (dts / ruß.), 1988-1994; News Bulletin, 1992, Federation of the Jewish Communities in Romania; Bucarest; Newsweek, 1977-1995; Perspektiva, Moscow, 1999 Profil, Wien 1985-1998; Die Zeit, Hamburg, 1985-2002; Tageszeitungen / Presse: Frankfurter Rundschau; 1990-2002; Neue Züricher Zeitung; 1990-1999; Pravda, Moscow, 1989-1995; Die Presse, Tageszeitung, Wien 1980-2002; Der Spiegel, Hamburg, 1990-2002; Süddeutsche Zeitung, München, 1988-2002; TAZ, Tageszeitung, Berlin 1986-2002
Re: Antisemitismus - Gestern und heute -
UNGARN
Der Antisemitismus in Ungarn. Nur Polit - Folklore?[1]
Von Magdalena Marsovszky
Da dem Hass erfüllten ungarischen Kulturkampf ein massiver Antisemitismus zugrunde liegt, der jedes Mal wächst, wenn eine konservative Koalition das Land regiert, muss ihm in dieser Arbeit auch breiter Raum gewährt werden.[2]Der Antisemitismus in Ungarn. Nur Polit - Folklore?[1]
Von Magdalena Marsovszky
In einen historischen Kontext gestellt kann das äußerst komplizierte Gefüge des Antisemitismus von der Jahrhundertwende bis heute abgeleitet werden.
Im halbfeudalen Agrarland Ungarn wurden zur Zeit der Monarchie die traditionell schreibkundigen Juden als Modernisierer gebraucht, so dass die Modernisierung zur gemeinsamen Aufgabe von Juden und Ungarn wurde. Die Juden wiederum teilten das Nationalismusbestreben der Ungarn gegen die Monarchie und assimilierten sich gerne, da ihnen die Assimilation eine Art Gleichberechtigung bot und ihr Anderssein, besonders in den Städten, weniger auffiel. So wurde die Assimilation der Juden und deren Teilnahme an der Modernisierung nirgends in Europa so vorangetrieben wie in Ungarn.
Nach dem Ersten Weltkrieg änderte sich diese Situation. Wichtigster Meilenstein, und für die kulturelle Entwicklung des Landes bis zum heutigen Tag von grundlegender Bedeutung ist der erwähnte Friedensvertrag von Trianon. Seit dieser Zeit wurde die wichtigste Frage der Politik, der Kultur und des alltäglichen Lebens die Wiederherstellung des 'status quo ante Trianon', die Revision der Grenzen von 1914. Auch der ungarische Faschismus war bis zuletzt von der Ideologie des Revanchismus geleitet.
Da der Friedensvertrag von Trianon die Quelle einer allgemeinen Verstörung wurde, nahm auch die irrationale Angst vor dem 'Tode der Nation' riesige Ausmasse an. Es entwickelte sich eine Konzeption, in der die "reinrassige" Kultur der Ungarn durch die Juden als gefährdet betrachtet wurde. Wegen der Teilnahme von vielen Juden an der Revolution 1918/19 hat sich auch der Begriff 'Judeobolschewik' in die konservative Denkweise eingeschlichen. Nach dem Zerfall der Monarchie verschwand der liberale, eher tolerante Nationalismus, und an seine Stelle trat ein radikaler und autoritärer, aus Antisemitismus, Nationalismus, Revanchismus und aggressiver Christlichkeit bestehender Konservativismus. Das Bild des Nationalstaates wurde von der Konzeption des Volksnationalen abgelöst, die den authentischen, ungarischen Charakter betonte. Gleichzeitig wurde der Liberalismus als etwas Fremdes und Ursache allen Übels abgelehnt, die Konzeption des ethnischen Nationalismus aufgestellt und der aufgrund einer geographischen Eigenständigkeit entstandene und aus der spezifischen Geschichte des Landes stammende, im Volk immanente spezifische Charakter betont. Zwischen den volksnationalen Konservativen und den westlich orientierten 'Modernisierern' (bei denen ja traditionell viele Juden zu finden waren) entwickelte sich bis in die 30er Jahre der bereits erwähnte 'Streit zwischen Volksnationalen und Urbanen', an dem vor allem Literaten teilnahmen. Die 'Urbanen' vertraten die Prinzipien der westlichen Demokratien und des Kosmopolitismus, Prinzipien also, die jüdischen Vorstellungen ähnlich sind. Man kann sie als intellektuell und nach den europäischen Strömungen ausgerichtet bezeichnen, sie waren eher zu Abstraktionen geneigt und am Individuum interessiert. Besonders viele Juden mit bürgerlicher Bildung gehörten in diese Gruppe.
Intellektuell konnte der Streit jedoch nicht ausgetragen werden. Erstens kam der Zweite Weltkrieg dazwischen, zweitens die realsozialistische Diktatur, in der der gemeinsame Hass auf die fremden Besatzer die Literaten in eine - wenn auch oberflächliche - Einheit, in eine gemeinsame Opposition zwang. Nach dem Holocaust waren zwar im realsozialistischen Ungarn sowohl der Nationalismus als auch der Antisemitismus offiziell verpönt, so dass weder über den Antisemitismus noch über die Schuldfrage gesprochen wurde, doch in der realsozialistischen Ideologie lebte der Antisemitismus als Antikapitalismus weiter, die Kontinuität blieb also erhalten.
So brach der Streit nach 1989, nachdem der gemeinsame Feind, die Sowjetunion nicht mehr existierte, mit elementarer Kraft wieder auf.
Da der neue ungarische Konservatismus unterentwickelt war, nährte er sich zu einem großen Teil von den Wertvorstellungen der dreißiger Jahre, was den Aufschwung volksnationaler Ideen begünstigte und den damals zum Wesen des Konservativismus' gehörenden Antisemitismus jetzt wieder aufnahm.
Wesentliches Moment des ungarischen Antisemitismus ist die These von der so genannten "umgekehrten Assimilation", die besagt: Die Ungarn seien in der eigenen Heimat inzwischen in der Minderheit, weil der Versuch der jüdischen Liberalen, die ungarische Nation ihrem Stil und Denken anzugleichen, weit gehend gelungen sei [3].
Der erste, der die These der umgekehrten Assimilation nach der Wende beschrieb, war der Dichter und Schriftsteller Sándor Csoóri, bis 2000 Präsident des Weltverbandes der Ungarn. Sein 1990 veröffentlichter Artikel war der Anfang des Bruches im Kulturverständnis des Landes und der eines trotzigen und verbitterten Schweigens zwischen dem rechten und dem linken Flügel der ungarischen Intellektuellen. Csoóri schrieb 1990: "... Ich müsste mich dafür schämen, dass ich ein Ungar bin. Ich müsste mich schämen, aber nicht weil ich selbst so fühle, /.../ sondern aufgrund von Außen aufgedrängten Einflüssen: "Was bedeutet, ein Ungar zu sein?" - hörte ich die hochnäsige Frage selbst bei gebildeten Akademikern. "Und was bedeutet Patriotismus? Was bedeuten Tränen? Was bedeutet die Hymne? /.../ Es leben viele im Lande /.../, die die ewigen ungarischen Klagelieder satt haben: /.../ Trianon und die anderen Tausend Schläge. /.../ Es ist sonderbar, doch solange man mit dem Ungartum auf natürlicher Weise eins werden konnte - entweder durch Assimilation oder durch geistige Angleichung -, hatten diese vererbten Wehwehchen nicht gestört /.../. Das Judentum hatte z.B. nicht nur die Sprache, sondern auch die in der Sprache verborgenen Schmerzen gelernt. Mit der Räterepublik, mit der Horthy-Ära aber vor allem mit dem Holocaust wurde die Möglichkeit der geistig-seelischen Verschmelzung aufgekündigt. /.../ Heutzutage ist es immer deutlicher zu spüren, dass sich im Lande die Tendenzen einer umgekehrten Assimilation zeigen: Das liberale Prinzipien repräsentierende ungarische Judentum wünscht sich, das Ungartum im Stil und im Geiste zu sich zu assimilieren" [4].
1992 spricht István Csurka, damals noch Vizevorsitzender der rechtskonservativen Partei der MDF (Magyar Demokrata Fórum - Ungarisches Demokratisches Forum) in einem weiteren Grundsatzartikel das erste Mal nach der Wende im Zusammenhang mit dem Antisemitismus bereits mit nazistischem und faschistischem Vokabular vom "Lebensraum" für das ungarische Volk und greift besonders die Juden an, die im Verbund mit der alten Nomenklatur und der internationalen Finanz- und Bankenwelt zu den ewigen Verschwörern gegen das Ungartum gehörten [5].
Dass Juden im eigenen Land schon kurz nach der Wende auch offiziell als Fremde betrachtet werden, beschreibt z.B. Imre Kertész in seinem Buch "Ich-ein anderer". Er schildert einen Vorfall in einer Konferenz der Evangelischen Akademie Tutzing/ bei München "Deutsche und ungarische Intellektuelle im Gespräch" im November 1993: "Eine verstörte Dame empfängt mich mit seltsamen Nachrichten. Von zuständiger ungarischer Seite sei verlautet, man halte die Liste der ungarischen Geladenen für einseitig. Gegen mich wurde vorgebracht, ich schriebe nur über ein einziges Thema (nämlich Auschwitz) und sei somit nicht repräsentativ für das Land (nämlich Ungarn)." [6].
Bis etwa 1996 hatten sich bereits von jedermann entzifferbare antisemitische Codes wie "liberalbolschewik" [7], fest eingebürgert und wurden vom rechten Lager, zwischen 1994 und 1998 in der Opposition, zielgerichtet eingesetzt [8]. Die Stimmung war zwar zwischen 1994 und 1998 weniger explosiv, da damals viele von jener urbanen Intelligenz an der Macht waren, die Sozialisten und die Liberalen [9], die mit dem Problem eindeutig sensibler umzugehen wussten, und zudem stellte den Kultusminister die liberale Partei der SZDSZ. Trotzdem wurde inzwischen die Meinung, dass die Errichtung einer liberalen Demokratie in Ungarn gleichzusetzen sei mit dem Versuch der jüdischen Liberalen, die ungarische Nation ihrem Stil und Denken anzugleichen, fester Bestandteil der Auseinandersetzungen.
Dass vor allem die Liberalen zum denunzierten Kreis der jüdischen Nichtungarn gehören, sprach seit 1989 am deutlichsten der Leiter der Partei der Kleinlandwirte, späterer Landwirtschaftsminister der rechtskonservativen Orbán-Regierung und zeitweiliger Kandidat für das Amt des Präsidenten Ungarns, Dr. Torgyán, unmissverständlich aus. Anlässlich einer Demonstration im März 1996 nannte er vor Hunderttausenden das damals als Koalitionspartner der Sozialisten regierende linksliberale, etwas grün angehauchte Bündnis der Freien Demokraten, in dem besonders viele jüdische Intellektuelle zu finden sind, "liberalbolschewik" und brachte sie in die Nähe von "Ungeziefer", die beim Großputz im Frühjahr "zu vernichten" seien [10]. Er sagte: "Scheinliberale, ekelhaftes Ungeziefer und Aasgeier plagen unsere Heimat. /.../ Während das Ungeziefer dieses von Trianon verstümmelte und aus tausend Wunden blutende Land von Innen zerfressen, zerreißen und zerfetzen die Aasgeier von Außen den edlen Corpus unseres süßen Landes. /.../ Ungarn gehört nicht den Liberalen, sondern den Ungarn. /.../ Schwören Sie mit mir, dass wir das Ungartum verteidigen /und/ das Ungartum wieder zusammenführen. /.../ Der Frühling naht. /.../ Um diese Zeit geht ein Ungar immer an das Vernichten der Ungezieferplage." [11]
"Liberalbolschewik", "liberal" oder auch nur der Begriff "Großputz im Frühjahr" sind seitdem für jedermann geläufige antisemitische Codes in Ungarn.
Der Schriftsteller Mihály Kornis zählt 1996 eine ganze Reihe antisemitischer Codes auf: "Uns ('die nationfeindlichen Kräfte', die 'Urbanen', die 'Liberalbolschewiken', die 'Kosmopoliten', die 'Enkel Aczéls' [12], den 'harten Kern der Judeo-Plutokraten', die 'das Land ausverkaufen', die 'Standesamt-Günstlinge: Schein-Ungarn', 'den harten, in den nationalen Corpus eingedrungenen Kern der internationalen Maffia', die 'infolge einer Wahlkatastrophe die Schlüsselpositionen des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens besetzten') müsste man kaltstellen (siehe 'von der Ungezieferplage befreien'), 'hinausfegen', zuerst von der 'Macht-Struktur', und dann ... dann werden wir weitersehen. /.../ Die ganze Art, wie man unter dem Vorwand des Ausdrucks des 'Nationalen' Sündenböcke macht, das in einer leicht decodierbaren Geheimsprache erfolgte 'Kosmo-Politisieren' ist, inmitten von Europa, gewürzt mit Anschlägen auf Synagogen und auf jüdische Friedhöfe, ein Weltskandal."[13]
1997 definiert Imre Kertész, was es nach seiner Meinung heißt, ein Ungar zu sein: "Die an einem Vaterkomplex leidende, sadomasochistisch perverse osteuropäische Kleinstaatenseele kann, wie es scheint, nicht ohne den großen Unterdrücker leben, auf den sie ihr historisches Missgeschick abwälzt, und nicht ohne Sündenbock der Minderheiten, an dem sie all den Hass und all das Ressentiment, das der tagtägliche Frust erzeugt, abreagiert. Wie soll einer, der permanent mit seiner spezifisch ungarischen Identität beschäftigt ist, ohne Antisemitismus zu einer Identität gelangen? Was aber ist das ungarische Spezifikum? Zugespitzt formuliert, lässt es sich nur durch negative Charakteristika bestimmen, deren einfachstes - redet man nicht um die Sache herum - so lautet: Ungarisch ist, was nicht jüdisch ist. Nun gut, was aber ist jüdisch? Das ist doch klar: was nicht ungarisch ist. Jude ist der, über den man in der Mehrzahl reden kann, der ist, wie die Juden im allgemeinen sind, dessen Kennzeichen sich in einem Kompendium zusammenfassen lassen wie die einer nicht allzu komplizierten Tierrasse (dabei denke ich natürlich an ein schädliches Tier, das - schiere Irreführung - ein seidiges Fell hat) usw.; und da "Jude" im Ungarischen zum Schimpfwort geworden ist, macht der als Kollaborateur ehrenhaft ergraute politische Redner und schnell gebackene Ungar einen Bogen um den heißen Brei und benutzt das Wort "Fremder" - doch weiß jedermann, wer gegebenenfalls seiner Rechte beraubt, gebrandmarkt, geplündert und totgeschlagen wird."[14]
Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass im Jahr 1998, nachdem Viktor Orbán und seine rechtskonservative Regierung an die Macht kamen, die bis dahin geleisteten Vorbereitungen für die Frankfurter Buchmesse "überprüft" und die "einseitige Auswahl" der Literaten, die in Frankfurt Ungarn und die ungarische Literatur vertreten sollten, korrigiert und ergänzt wurde [15]. Die Auswahl der Autoren für die Buchmesse sei deshalb "zu einseitig" und "nicht wirklich ungarisch", weil die entsandten Kräfte der Auslandskulturinstitutionen, die in der Anfangsphase die Buchmesse noch im Auftrag der sozialistisch-liberalen Regierungskoalition organisierten, nur den "einseitigen Budapester liberalen Geist" [16]und ihm nahe stehenden Schriftsteller bevorzugt hätten. Auf den Punkt bringt es der Chef der rechtsradikalen ‚Partei für Ungarische Gerechtigkeit und Leben', seit 1998 das erste Mal im Parlament vertreten, István Csurka: "Im Namen Ungarns erscheint in Frankfurt die Budapester jüdische Literatur" [17].
In dem Jahr, in dem die Vorbereitungen zur Frankfurter Buchmesse stattfanden, schlugen die Wellen der antisemitischen Hetzkampagne besonders hoch.
Der in Berlin lebende ungarische Schriftsteller György Dalos, Initiator und Hauptorganisator des Schwerpunktthemas und bis zum Sommer 1999 Leiter des Hauses Ungarn in Berlin, äußerte sich folgendermaßen zum Konflikt:
"Es war die Fortsetzung der früheren Auseinandersetzung mit anderen Mitteln. Es gab die eigentlich fast in jedem Land normale Auseinandersetzung, ob die Auswahl wirklich gut ist, und diejenigen, die nicht in der Auswahl waren, die fanden natürlich diese Auswahl schlechter als diejenigen denen es gelungen ist, ausgewählt zu werden. Das ist aber eine Jurybanalität. Nun, das große Problem begann dann, als die Fehler der früheren Kulturregierung und die chaotischen Zustände in der Organisation dazu führten, dass die neue Regierung begann - wie immer - Ordnung zu machen. Und in diese Ordnungsmacherei kamen bestimmte ideologische Akzente, die nicht direkt mit der Frankfurter Buchmesse zusammenhingen, sondern mit Ungarn. /.../ Das ist ein eher atmosphärischer Umstand. Diese Atmosphäre führte dann dazu, dass all die Energien, die Enttäuschungen und Frustrationen angesichts der bereits schon damals absehbaren Proporzen in Frankfurt sichtbar waren, dass diese Unzufriedenheit politische Formen zu erhalten schien.
Nun ideologisch wurde diese Geschichte aufgrund von ziemlich bewusst gestarteten rechtsradikalen Propaganda in der Wochenschrift von István Csurka, "Ungarisches Forum", und der anderen rechten Wochenschrift, der nationalradikalen "Demokrata". Das sind Blätter, die sich darauf spezialisieren, wöchentlich die so genannten kosmopolitischen Medien und Autoren anzugreifen, und in diesen Angriffen gibt es absolut unmissverständliche antisemitische Töne. Manchmal nicht einmal kaschierte, manchmal in der Art des feigen Nach-Holocaust-Antisemitismus'. Und dann kam eine parlamentarische Interpellation, in diesem Falle gegen mich, weil ich der einzige war, der aus dem ursprünglichen Team geblieben war. Man forderte meine Absetzung, weil ich angeblich das staatliche Geld mit der liberalen Partei und mit mir aufgeteilt habe. /.../ Es war einfach eine Insinuation, mit dem politischen Hintergrund, dass also die so genannten richtigen nationalen Autoren ausgegrenzt werden. Und wie der neue Antisemitismus sich bei diesen Menschen, bei diesen Abgeordneten äußert, er verglich die Tatsache, dass manche Autoren nicht in Frankfurt mit Büchern erscheinen können, mit der Bücherverbrennung der Nazis." [18]
Am 21. März 1999 wurde dann im öffentlich-rechtlichen Kossuth Rádió in der Hetzsendung "Sonntagsmagazin", nach eigener Aussage die Lieblingssendung von Viktor Orbán [19], ein Interview mit István Csurka ausgestrahlt, das in die Reihe der Grundsatzdefinitionen gehört, weil hier das erste Mal sichtbar wird, dass das Ziel der Hetzkampagne nicht nur die Juden selbst sind:
"Die aus der Exekutive herausgefallene Ungarische Sozialistische Partei besteht aus Leuten, die in gerader Linie von den Sowjetkumpanen, den Henkern, den die Menschen niedermetzelnden Schlächtern, also von denen abstammen, die das Ungartum zerstören. Ich forderte am 15. März das feiernde Publikum auf, mit uns zusammen dafür zu sorgen, dass die Sozialisten nie mehr an die Macht zurückkehren können /.../. Aus dem Buch 'Gegen das Schicksal' von Dezsö Szabó [20]zitierte ich die Passage, in der über den internationalen Menschen gesprochen wird, über den Menschen, der weder ein Franzose, noch ein Ungar, weder ein Deutscher noch ein Engländer ist, der ein nichts ist. /.../ Der internationale Mensch ist der verlängerte Arm der Globalisierung, und es ist /.../ sein Bedürfnis, die Nation zu zerstören. Doch diese Definition als einen Angriff gegen eine Gruppe von Menschen zu deuten, wäre natürlich ein riesiges Missverständnis /.../, denn ich sage: Es ist keine Frage der Abstammung, wie man zum internationalen Menschen wird, es ist eine Frage der Entartung. Der Rundfunk wird heute leider vom Geist Peter Agárdis beherrscht. /.../ Dieser verehrte Herr /.../ war über Jahrzehnte hindurch eine Figur der Parteizentrale /.../, und jetzt ist er der Präsident des Rundfunkkuratoriums, natürlich in den Farben der Ungarischen Sozialistischen Partei. Er setzt seine Arbeit dort fort, wo er aufgehört hat, mit Demoralisierung und Zerstörung. Als internationaler Mensch will er aus dem ungarischen Rundfunk einen internationalen Rundfunk machen./.../ Dies kann dem Ungartum nur Schaden zufügen ..."[21]
Zum Gesamtkunstwerk abgerundet wurde das Interview mit der symphonischen Dichtung 'Les Preludes' von Franz Liszt, einer Musik, die bekanntlich im Zweiten Weltkrieg als musikalisches Signal der Sonderberichte des Oberkommandos der Wehrmacht in den Kinos gespielt wurde.
Neues Element im Interview ist die namentliche Nennung der angegriffenen Person, man spricht nicht mehr "durch die Blume", sondern wird konkret.
Der Begriff 'internationaler Mensch' kann heute als 'Fremder allgemein' und als 'Jude' decodiert werden, da sie der von Csurka zitierte Autor auch in diesem Sinne benutzt [22].
Neu in Csurkas Rede ist weiterhin der Begriff "Entartung", das ihm einerseits erlaubt, über die Juden als über eine Menschenrasse zu sprechen und andererseits den Kreis derjenigen zu erweitern, gegen die er vorgehen will: er meint nicht nur die Liberalen (Juden) selbst, sondern auch deren politischen Kreis, nämlich vor allem die Sozialisten. Sie werden beschuldigt, von den "Sowjetkumpanen" abzustammen, mit dem jüdischen Geist den ungarischen Geist zu demoralisieren und zu zerstören, aus dem ungarischen einen internationalen, d.h. einen jüdisch-globalisierten Rundfunk bzw. Kultur zu machen und so dem Ungartum Schaden zufügen zu wollen.
Dem Begriff "Entartung" entsprechend ist es heute letzten Endes vollkommen egal, ob Juden (codiert: Liberale) in der Kultur, Kulturpolitik oder in den Medien überrepräsentiert sind, wie dies von konservativer Seite immer wieder behauptet wird. Als ‚jüdisch' (oder ‚liberal') beschimpft wird im Allgemeinen die Intelligenz, die mit dem linken Parteienspektrum sympathisiert, auch wenn sie bekanntlich nicht jüdisch ist, so z.B. der Schriftsteller Péter Esterházy oder der ehemalige Staatspräsident und Schriftsteller Árpád Göncz. Die heutige - in Ungarn durchaus lebendige - assoziative Nähe der Begriffe ‚liberale Intelligenz', d.h. ‚gebildet' und ‚jüdisch' geht auf die historische Tatsache zurück, dass in der Monarchie des 19. Jahrhunderts die ‚Veredelung der Israeliten', bzw. die ‚Bildung' Voraussetzung für die kulturelle Assimilation, für die Verbürgerlichung und somit für die Emanzipation der Juden war [23].
Mit dem heutigen Begriff "Globalisierung" spannt Csurka in seinem Interview den Bogen in die Gegenwart. Er ist wie die Konservativen im Lande der Meinung, die Sozialisten und die Liberalen hätten die Tore für den westlichen Markt in der Kultur geöffnet. Sie seien internationale Menschen, die den Weg in Ungarn für die Globalisierung frei machten und so die Nation bzw. das Ungartum zerstörten. Denn im Gegensatz zur Diktatur ginge heute die größte Gefahr vom westlichen Kapital aus. Die heutige Macht von Coca-Cola, - Sinnbild des "alles vom Tisch fegenden Terrors aus der Kraft des Kapitals" - wird mit der früheren Macht von Stalin verglichen [24], und es wird beklagt, dass zusammen mit dem Einzug der Marktwirtschaft auch eine Art Kulturkolonialismus durch den Westen stattfände [25], zumal die neuen, mit westlichem Kapital errichteten Einkaufszentren im Umland von Budapest die Hauptstadt heute genauso belagerten wie vor zweiundvierzig Jahren die sowjetischen Panzer [26]. Es hätte noch immer kein richtiger Systemwechsel stattgefunden und alle wichtigen Positionen würden eigentlich noch immer die sog. Postkommunisten, d.h. die Sozialisten besetzt halten (die ja nach Csurkas Deutung selbst den jüdischen Geist verkörpern). Die Ungarn seien von einer Unterdrückung in die andere gefallen und auf die sozialistische Internationalisierung würde die kapitalistische Internationalisierung folgen. So sei Ungarn praktisch eine Kolonie geblieben, nur mit anderem Vorzeichen. Die sozialistische Kulturglobalisierung würde von der kapitalistischen abgelöst, und als Folge würden die Ungarn nach und nach verschwinden, die Ungarn blieben eine Minderheit im eigenen Land.
Ausdruck dieses - es muss so formuliert werden - ‚nationalen Narzissmus' ist auch der Begriff "Nationalsozialismus", der jedoch mit einem umgekehrten Vorzeichen die Ausgrenzung der Ungarn aus der eigenen Kultur meint [27], oder der Begriff "heutiger ungarischer Genozid" [28], für das auch die eigenen Journalisten und Schriftsteller mitverantwortlich seien, weil sie die eigene Heimat im Ausland als antisemitisch denunzierten.
Dahinter verbirgt sich die - durchaus verständliche - ungarische Neurose, die aus der Lage eines Landes resultiert, das auf der "Verliererseite der Geschichte" noch immer mit dem Fiebertraum des Verschwindens seiner nationalen Existenz kämpft. Infolge der permanenten Unterdrückung durch die Osmanen, das Habsburgerreich und die Sowjetunion hatte die ungarische Nation bis heute kaum Zeit, zu sich zu finden. Und jetzt soll sie sogar bald in Europa aufgehen.
Dass das sog. Trianon-Syndrom auch heute allgegenwärtig ist, zeigen Formulierungen wie z.B. "Ungarn sei das einzige Land der Welt, dessen Grenzen seine eigenen Gebiete sind" vom ehemaligen Landwirtschaftsminister, Dr. Torgyán, die auch von anderen führenden Politikern der rechtskonservativen Parteien übernommen wird [29]. Und dass das Trianon-Syndrom auch heute mit dem Antisemitismus zusammenhängt, zeigt ein geistvoll-schmerzlicher Satz in einer Zeitung, bezogen auf das jüdisches Ritual der Beschneidung: "In Trianon wurde unsere Heimat regelrecht beschnitten"[30].
Die gegenwärtig in einer rechtskonservativen Koalition regierenden Parteien achten dabei selbst peinlich darauf, nicht als Antisemiten abgestempelt werden zu können, doch die Codierungen übernehmen auch sie [31]. Vor allem aber grenzen sie sich den Rechtsextremen gegenüber überhaupt nicht ab [32].
So erscheint immer wieder ein Minister, erscheinen regelmäßig Staatssekretäre auf Titelfotos von Zeitschriften [33] oder als Schirmherren von Konferenzen, in denen unmissverständlich antisemitische Codierungen vorkommen [34], oder es werden z.B. Programmvorhaben für die Millenniumsfeierlichkeiten finanziert, die vom rechtsradikalen Führer, István Csurka stammen [35].
Der ungarische Rechtskonservatismus richtet sich also nicht nur gegen den "Osten" gegen die vermeintlichen Bolschewiken, sondern auch gegen den Westen und Europa, von dem ja die Globalisierung und die kulturelle Kolonisierung ausgehe und gegen die "inneren Feinde", die Liberalen und die Sozialisten. Diese aber machen etwa die Hälfte des Landes aus, so dass eigentlich die eine Hälfte des Landes mit der anderen Hälfte im geistigen Krieg steht.
Trauriger Abschluss der Vorbereitungen für die Buchmesse bedeutete der Artikel "Die Frankfurter Tyrannei" von István Csurka, der die Frankfurter Buchmesse mit dem Ungarnschwerpunkt den "Holocaust der ungarischen Literatur" nannte [36].
Die rechtskonservative Regierungskoalition Viktor Orbáns zeigt vielfach rechtsradikale Züge, ja eine der neuesten Relativierungen des Holocaust stammt von der Regierungsberaterin Maria Schmidt:
"Im Zweiten Weltkrieg ging es nicht um das Judentum, um den Völkermord. So leid es uns auch tut: Der Holocaust, die Ausrottung oder Rettung des Judentums war ein nebensächlicher, sozusagen marginaler Gesichtspunkt, der bei keinem der Gegner das Kriegsziel war. /.../ Es muss auch festgehalten werden, dass die Alliierten Nazi-Deutschland auf keinen Fall deshalb den Krieg erklärt hatten, um die geplante völkermörderische Politik gegen die Juden zu verhindern. Sie hatten weder vor, die Vertriebenen aufzunehmen, noch sie zu schützen. Daher ist für sie nichts Außergewöhnliches, mit anderen Worten Unikates, passiert. In unserem Jahrhundert /.../ ist ja eine ganze Reihe von Massenmorden und Genoziden passiert, wobei diese von der Außenwelt mit oder ohne Anteilnahme aber bewusst wahrgenommen wurden. Ebenso wusste die Welt - jedenfalls die Interessierten oder die Betroffenen -, was seit der bolschewistischen Revolution in dem die Neue Welt verheißenden sozialistischen Russland, Sowjet-Russland bzw. in der Sowjetunion passierte. Die kommunistischen Regime haben im Interesse der Festigung ihrer Herrschaft die Massenmorde zur wirklichen Regierungsmethode erhoben."[37]
Der bekannte Philosoph und Publizist Miklós Tamás Gáspár reagierte einige Tage später folgendermaßen:
"Schmidt ist keine unabhängige Forscherin, sondern eine amtliche Person. Ihr Vortrag war nicht etwa auf der Sitzung einer kompetenten, wissenschaftlichen Gesellschaft zu hören, sondern an der nach einem rassistischen Politiker benannten "politischen Akademie" einer in vieler Hinsicht rechtsextremen Partei - einer Regierungspartei! Schmidt bemühte sich in ihrer bisherigen wissenschaftlichen, publizistischen Tätigkeit, für die Juden immer nachteilige Konsequenzen abzuleiten: darin hatte sie teils Recht teils Unrecht, doch die Tendenz ist unverkennbar. Zahlreiche Mitglieder im politischen Umfeld Schmidts /.../ betreiben eine rechtsextremistische propagandistische Tätigkeit, ohne dass sie dafür von ihren Vorgesetzten gerügt würden. Dieser Kreis um den Ministerpräsidenten herum rehabilitiert regelmäßig /.../ solche Personen, die die Judengesetze eingeführt und unterstützt hatten und Personen, die Initiatoren des mit Hitler zusammen geführten Angriffskrieges waren (er tut dies parallel zu den Kampagnen der offen rassistischen rechtsextremistischen Partei - heute ein halboffizieller Regierungsverbündeter), /.../ er setzt Neonazis in die sorgfältig entjudeten Schlüsselpositionen der öffentlich-rechtlichen Medien, erteilt der neofaschistischen Wochenzeitschrift - durch einen Ministerialerlass - eine staatliche Apanage usw. /.../ Im mitteleuropäischen Judentum sind nur noch die ungarischen Juden unter uns, vor allem in Budapest - das sind die Nachkommen des überlebenden Sechstels, die durch einen militärstrategischen Zufall am Leben blieben, plus einige der Überlebenden. Im Gegensatz zu Deutschland, Österreich, Polen und Rumänien hat der Antisemitismus hierzulande eine konkrete, aktuelle, politische Bedeutung /.../. Es ist nicht zu leugnen, dass die offiziellen Elemente des Regierungslagers ununterbrochen judenfeindliche Zeichen aussenden. /.../ Nicht nur das vorläufig externe Regierungsmitglied, Parteichef Csurka, sondern auch Beamte des Kanzleramtes /.../ reden und handeln so wie Jörg Haider. Ihr Reden und Handeln übertrifft jedoch nicht nur, was Jörg Haider sagt, sondern auch, was Jörg Haider nur denkt."[38]
Das geistige Leben des Landes ist also bis 1999 bereits durch faschistoide Ideologien durchwoben, wobei diese nicht am Stammtisch, sondern eben bei einem Teil der Intelligenz entstehen, teilweise durch die Medien verbreitet werden und auch im Parlament zu finden sind [39]. Tatsächlich wird auch der Versuch unternommen, einige historisch belastete Personen der ungarischen Geschichte zu rehabilitieren [40], wie es im zitierten Artikel der Regierungsberaterin vorgeworfen wird, doch noch grundlegender scheint die Zielrichtung der politischen und kulturpolitischen Handlungen der Orbán-Regierung zu sein, die durch die Frage bestimmt werden, wie durch die Kultur das innerhalb und außerhalb der ungarischen Gebiete lebenden Ungarn miteinander vereint werden können und wie eine gemeinsame Identität geschaffen werden kann. Viele sehen daher die kulturelle Zukunft des Landes in der geistigen Erneuerung aller Ungarn, also auch derer, die in den vortrianonischen Gebieten leben. Das ist so etwas wie ein geistiger Revanchismus für das angestrebte Ideal des ehemaligen großen Nationalstaates Ungarn, den es eigentlich seit dem Mittelalter nicht mehr gegeben hat. Das von der Orbán-Regierung geschaffene und im Kanzleramt eingerichtete neue Amt, die "Landesimagezentrale" [41] wird auch nicht müde, die Zusammengehörigkeit und die Größe des ungarischen Volkes zu betonen und diese in Slogans in den Medien zu verbreiten [42]. Das Ergebnis der Bemühungen mündet in eine Art säkularisierter Religion, in einem Kulturnationalismus mit faschistoiden Zügen.
Wurde in den letzten Jahrzehnten die Identität durch die Opferhaltung, also durch den über die Jahrhunderte entstandenen Mechanismus der Identifikation über Feindbildkonstruktionen und über den verhassten fremden Unterdrücker definiert, gegen den man sich "wehren muss", so ist ab 1999 ein leichter Wandel zu beobachten. Mit der Konzeption des ethnischen Kulturnationalismus der "reinen" ungarischen Kultur wird immer mehr auch der dem Volk immanente organische, spezifische Charakter, die Einzigartigkeit, ja sogar die Auserwähltheit des ungarischen Volkes betont.
Diese Tendenz unterstützt eine um die Jahreswende 1999/2000 veröffentlichte Artikelreihe eines Rechtsanwalts, in dem u.a. Folgendes steht:
"Während die DNS der menschlichen Rasse innerhalb einer gegebenen Länge zwei bis drei Drehungen aufweist, weist die der ungarischen Rasse neun Drehungen auf /.../, was wiederum mit der Drehzahl des vom Planet Sirius auf die Erde kommenden Lichtes identisch ist. Aus dieser Tatsache resultiert der kosmische Ursprung der ungarischen Intelligenz, der ungarischen Seele und des ungarischen Geistes und darauf geht die Auserwählung des ungarischen Volkes zurück". [43]
Dr. László Grespik betonte zwar, er hätte seine Thesen zur neuesten ungarischen Kulturgeschichte sozusagen als Hobbyforscher, ausschließlich als Privatmann verfasst, doch immerhin erschienen sie in einer der Regierung nahe stehenden rechtsradikalen Zeitschrift namens "Ungarischer Demokrat" [44], und er ist vier Monate später als Staatssekretär zum Chef der obersten Stadtverwaltungsbehörde ernannt worden. In seiner Funktion ist er befugt, die Immobilien-Kaufverträge von Ausländern in Budapest zu überprüfen und notfalls ihre Genehmigung zurückzuziehen, wenn sie nach seiner Meinung für die Allgemeinheit schädlich sind [45]. Diese Maßnahmen richten sich eindeutig gegen eventuelle Einwanderer oder Kaufinteressenten aus dem Westen und aus Israel und sind als Teil der rechtsradikalen Antiglobalisierungsbewegung zu betrachten, die meistens mit dem Code "Tel-Aviv - New York - Brüssel Achse", als Synonym für die jüdisch-westlich-globalisierte Weltverschwörung gegen Ungarn abgedeckt wird [46]. Dieses Kürzel gibt die schon beschriebene weit verbreitete konservative Auffassung wieder, wonach die sozialistische Kulturglobalisierung von der kapitalistischen abgelöst worden sei, der ungarische Geist werde demoralisiert und zerstört, und aus der ungarischen werde mit Hilfe der "inneren Verräter", den "Liberalbolschewiken" (d.h. Juden) - eine internationale, d.h. eine "jüdisch-globalisierte" Kultur. So wie "Trianon" ein alltägliches Thema in den Medien ist, so wird auch die allgemeine Angst geschürt, fremde Mächte würden versuchen, die ungarische Kultur und damit die Ungarn ihrem Stil und Denken anzugleichen, weshalb sie verteidigt werden müsse. Dabei ähnelt die Rhetorik der der dreißiger Jahre gespenstisch. Die eindeutig antiwestliche Stimmung verleitete auch den Ministerpräsidenten Orbán im Sommer 2001 zu folgender Aussage: "Dieser österreichischen Wirtschaft, die hier läuft, muss ein Ende gesetzt werden. Jeder österreichische Bauer, der in Ungarn Grundstücke gekauft hat, soll sich freuen, wenn er dies heil übersteht" [47].
Hier ist ein Prozess zu beobachten, wie der antisemitische Kulturnationalismus über die Betonung der Größe des ungarischen Volkes und als Teil der Antiglobalisierungsbewegung gepaart mit allgemeinem Fremdenhass Eingang in die Verwaltung bekommt. War der Antisemitismus bis dahin vor allem Bestandteil des Bereiches der Kultur und der Medien, ist er jetzt bereits auch in der Verwaltung institutionalisiert.
Unterstützt wird die Regierung von der rechtsradikalen Partei MIÉP, seit 1998 das erste Mal - offiziell als Opposition, doch nach eigener Aussage als "Opposition der Opposition" [48]- im Parlament vertreten. Böse Zungen werfen der Regierung vor, in der rechtsradikalen Partei ein ideales Sprachrohr gefunden zu haben, denn diese würde alles aussprechen, was sich die Regierung - die sich EU-Regeln verpflichtet fühle - nicht leisten könne.
Antisemitische Hetze ist inzwischen überall möglich, angefangen vom Fußballplatz, wo die vermeintliche ‚jüdische' Fußballmannschaft als "dreckige Juden" beschimpft und im Stadion "der Zug startet nach Auschwitz" bzw. "Wohin startet der Zug?" [49] skandiert werden kann , ohne dass das Spiel abgebrochen wird, und die Justizministerin hinterher die Geschehnisse mit dem Satz abtut, sie verstehe nichts vom Fußball [50], über die Herausgabe und den Vertrieb antisemitischer Literatur [51], bis hin zum Vertrieb revisionistischer Lieder mit finanzieller Unterstützung des Jugendministeriums [52] und bis hin zum kirchlichen Rundbrief, in dem im Hinblick auf die Wahlen im Frühjahr 2002 folgende Gebetsformulierung steht:
"Rette unsere Nation vom egoistischen, nur auf sich selbst bauende ultraliberale Denkweise und gib uns Dir ergebene und auf Deine Hilfe bauende Führer".[53]
Gegen die für jedermann entzifferbare Bedeutung des Wortes 'christlich' als 'nicht Jude' setzen weder die Regierung noch die Kirche ein eindeutiges Zeichen, im Gegenteil. Ein Teil der Kirche unterstützt sogar vorbehaltlos die rechtsradikale Partei für Ungarische Gerechtigkeit und Leben, MIÈP .[54]
Der heutige ungarische Nationalismus richtet sich zu einem großen Teil gegen die linksliberale Hauptstadt Budapest und wird als Gegensatz 'Provinz contra Stadt' ausgespielt [55]. Wichtiger Aspekt des Kulturkampfes ist also der Kampf des übrigen Landes gegen die Hauptstadt Budapest. So wie die Schriftsteller der völkischen Richtung in den 30er Jahren mit den Mitteln der völkischen Ideologie die Stadt angriffen und sie als die Quelle jeglicher Korruption in der edlen Agrargesellschaft Ungarns verurteilten [56], so ist auch der heutige ungarische Nationalismus mit einer Art Bauernromantik und Stadtfeindlichkeit verbunden. Der Antisemitismus wird deshalb hier am offensichtlichsten, weil in Budapest tatsächlich Ostmitteleuropas größte - übrigens weitestgehend assimilierte - jüdische Bevölkerung lebt, die von der Vernichtungsmaschinerie im Zweiten Weltkrieg nicht mehr richtig erreicht wurde [57]. Solange sich die Regierung nach rechts offen zeigt, spielt dieser Aspekt - wenn auch unausgesprochen - in ihren Attacken gegen Budapest weiterhin eine Rolle.
Da Budapest eine linksliberale kommunale Administration hat, fällt der Kampf der rechtskonservativen Regierung gegen die linksliberale Hauptstadt Budapest [58] hier am deutlichsten mit dem Kampf der Volksnationalen gegen die Juden zusammen.
Auch die öffentlich-rechtlichen Medien fallen mit ihrer antisemitischen Hetze auf [59].
Der Widerstand regt sich zwar [60], doch er wird immer schwieriger. "Das hier kann man durchaus Weimar nennen", schrieb Ende 2000 der bereits erwähnte Philosoph Miklos Tamás Gáspár [61]. Kritische Meinungen werden vom Tisch gefegt, und oppositionelle Kritiker - meistens codiert, mit den Synonymen für "jüdisch" - als 'Liberalbolschewiken', 'Kosmopoliten', ‚Schein-Ungarn' oder einfach als ‚seelisch fremd' beschimpft und als Verräter in den Medien namentlich genannt [62]. Versuchen sich diese gegen die "öffentlich-rechtliche Judenhetze" [63] zu wehren, wird ihnen von Regierungsseite Hypersensibilität vorgeworfen [64].
Während die Linksliberalen inzwischen von einem "verbalen Kosovo" sprechen [65], und die Stimmung immer explosiver wird [66], werfen ihnen die Konservativen den Ball zurück: Sie beschuldigen die Linken, den Antisemitismus zu instrumentalisieren, mit ihm zu spielen, ja zu hetzen und statt einer echten Kritik nach dem Motto "wer nicht für uns ist, ist ein Antisemit" alles abzulehnen, was konservativ ist. Die Historikerin, die diese These aufstellte, ist ebenfalls die erste Beraterin des ungarischen Ministerpräsidenten. Selbst Ministerpräsident Orbán behauptet: "Es ist ein Teil der ungarischen Polit-Folklore, dass die Linke jeden Nichtlinken zum Antisemiten erklärt" [67].
Dies sagte er in einem Interview anlässlich der Verleihung des Franz-Josef-Strauß-Preises der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung durch den bayrischen Ministerpräsidenten, Edmund Stoiber. Orbán wurde dabei als "mutiger, junger und herausragender Politiker und Repräsentant einer modernen Volkspartei", als ein "aufrichtiger Freund" Bayerns und ein "überzeugter Europäer" gewürdigt, der mit seiner Politik "entscheidende Impulse" für das Zusammenwachsen in Europa gesetzt habe.
POLEN
Von Chaim Frank
Erste größere Feindseligkeiten gegen Juden wurden von Seiten des katholischen Klerus initiiert und richteten sich gegen den Juden von den polnischen Herzögen gewährte Privilegien. 1267 beschloss das Konzil von Wroclaw (Breslau) für die Juden gesonderte, von den Christen getrennte Wohnviertel zu schaffen. Es zwang die Juden, besondere Kennzeichen, ähnlich den in westlichen Ländern, zu tragen. Der weitreichende Handel der Juden und ihre Prosperität rief bei den einheimischen Händlern, bei Kleinadel und dem deutsch-christlichen Bürgertum Neid und Zorn hervor. 1423 verbot das Statut von Warka den Juden, auf Schuldbriefe und Hypotheken Kredit zu gewähren und beschränkte ihre Geschäfte ausschließlich auf Beleihen von beweglichem Besitz. 1495 wurden die Juden aus der Krakauer Innenstadt verbannt, man verwies sie in die Judenstadt Kazimierz.
Im 16.Jahrhundert, als der jüdische Anteil im Königreich Polen ungefähr 5% der Gesamtbevölkerung betrug, erwirkten mehrere Städte das sogenannte 'Privilegia de non tolerandis Judäis', das den Juden teilweise oder gänzlich den Aufenthalt in der Stadt verbat. Während der Kosakenkriege kam es 1637 unter Pavliuk, 1648-50 unter Bogdan Chmjelnicki zu blutigen Pogromen, sowie zu unsinnigen Gemetzeln an Juden. (vgl. à Ukraine)
Während der Kriege gegen die Ukraine, Russland, Schweden, die Türkei und die Tataren zwischen 1648 bis 1717 wurden über 700 Gemeinden vernichtet, es kam zu einem politischen, wirtschaftlichen und geistigen Niedergang des polnischen Judentums. Die Verluste an jüdischer Bevölkerung während dieser Kriegsjahre betrug weit über 200.000 Menschen; die Abwanderung aber des gelehrten Judentums ins westliche Europa führte zur kulturellen Verödung.
In den Jahren zwischen 1734 bis 1750 kam es wieder zu größeren Ausschreitungen und antijüdischen Tumulten, wie in Krakau, Posen, Lwow, Wilna, Brest-Litowsk. Meist standen sie unter religiösen Losungen wie dem Ritualmordvorwurf, der allgemein bei Juden gefürchtet waren. 1768 schwappte der ukrainische Bauernaufstand begleitet von religiöser Hysterie in die Nachbarländer über: mehrere tausend Adlige und Zehntausende Juden kamen ums Leben. In den preußisch und österreichisch geteilten Gebieten verhinderten spezielle Judendekrete die Entwicklung jüdischen Lebens. Erst ab 1867/8 änderte sich dieses mit der rechtlichen Gleichstellung.
Von Ende des 19.Jahrhunderts sich entwickelnden nationalistischen Ideologien in Europa blieb auch Polen nicht unberührt und wurde hier repräsentiert von Roman Dmowski (1864-1939) mit seiner 'Nationaldemokratie' (endecja). Seine Ideen fanden Im polnischen Kleinbürgertum Nährboden und fusionierten vor allem in den Städten mit antijudaistischen Stimmungen. Antisemitische Schmierereien tauchten auf, jüdische Geschäfte wurden boykottiert und es kam zu Übergriffen. Diese Ereignisse bewegten viele polnische Juden zur Emigration in westliche Länder, vor allem in die Vereinigten Staaten.
Das ab 1918 von Pilsudski regierte Polen gewährte den Juden zwar volle Gleichberechtigung, dies aber eher auf dem Papier, denn der Regierungsantisemitismus wie der in der Bevölkerung waren ungebrochen resistent. In den Jahren 1918 und 1919, dem ersten Jahr der zweiten polnischen Republik kam es zu circa 130 antijüdischen Ausschreitungen, u.a. zu dem Pogrom von Lvov, das weit über einhundert Todesopfer forderte. Weitere Massenauswanderung waren die Folge, allerdings fehlten den meisten, die von einem Leben ohne Verfolgung träumten, die finanziellen Ressourcen. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten über 3 Millionen Juden in Polen.
1939 marschierten die nationalsozialistischen Truppen in Polen ein. Der von den Deutschen durchgeführte Massenmord an den europäischen und sowjetischen Juden fand größtenteils auf polnischem Territorium statt, die großen Vernichtungslager wie Auschwitz, Treblinka und Sobibor lagen in Polen.
In der polnischen Bevölkerung mischte sich stets der religiöse Antisemitismus mit dem Antikommunismus, der in enger Verbindung zur polnisch-russischen Geschichte stand: war das unterdrückende Regime früher das zaristische, später das stalinistische, so wurde die Schuld an der feudalistischen wie kommunistischen Herrschaft den Juden zugeschrieben, die überdies auch den Christensohn "ermordetet" hatten. Dieses stereotype Judenbild hat bis heute - ungebrochen aller Geschehnisse - bis heute seine Gültigkeit in Polen und wurde im Verlauf der Nachkriegsjahre weiter manifestiert. In ihrer judäo-kommunistischen Phobie betrachten sich die meisten Polen als "Opfer" eines anti-polnischen Komplottes und sehnen sich in jene Zeit der Großpolnischen Ära zurück, wo die polnische Grenze noch weit bis in die heutige Ukraine hineinreichte.
In den 50er Jahre initiierte die Polnische Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP) eine Säuberungskampagne, die sich ausschließlich gegen Menschen jüdischer Herkunft richtete, und wer kein Jude war, wurde unter dem Begriff "Kosmopolit" kurzer hand dazu erklärt - sich mit zionistischem Gedankengut einer "antisozialistischen" Haltung schuldig gemacht haben.
Eine weitere groß angelegte antisemitische Kampagne setzte etwa 1967 ein und mündete in die Unterdrückung der Studentenproteste von 1968: eine Partei der "Zionisten" wurde als Drahtzieher identifiziert, die vom Ausland die Konterrevolutionäre finanzierten, um die polnische Jugend den westlichen Imperialisten in die Arme treiben. Die polnischen Parteiführer formulierten weiter, dass Agenten des "Weltjudentums" mit den "Revisionisten" in Deutschland zusammenarbeiteten und angeblich eine gegen Polen gerichtete "Achse Bonn-Tel Aviv" bildeten.
Tausende jüdische Menschen verließen auf Grund von und aus Angst vor antisemitischen Repressalien das Land. Viele hatten nicht nur ihre Stellungen verloren, sondern mit ihrer Ausreise als "Agenti zionisty" gleichzeitig die polnische Staatsbürgerschaft und wurden staatenlos.
Der Fall Jankowski
Das Antisemitismus, gepaart mit dem verklärten klerikal-katholischen Nationalismus kommt - eigentlich wie überall - auch hier in Polen völlig ohne Juden aus,. Und darum findet man den polnischen Antisemitismus eben nicht am Rande sondern just in der Mitte der Gesellschaft. Dies bewies nicht selten beispielsweise der weithin bekannte Danziger Kaplan Jankowski, der seinerzeit eine bedeutende Rolle in der Solidarnosc-Bewegung spielte und der unermüdlich mit antisemitischen Äußerungen auftrat, ungeachtet dessen, dass er etliche Male selbst von der polnischen Kirchenbehörde abgemahnt wurde.
Während seiner Wahlkampfveranstaltung 1990 sah sich Lech Walesa veranlasst, klarstellen zu müssen, dass er nicht wegen seines (eher vorübergehenden) "Eintretens für die Juden" verdächtigt werden wolle, selber einer zu sein, und sagte: "Ich kann beweisen, dass alle meine Vorfahren Polen waren. Ich bin rein, ich bin Pole." Ein Jahr später, nachdem nun Walesa längst Präsident in Polen war, fragte sich die Süddeutsche Zeitung in einem Artikel (vom 18. 5. 1991): "Ist der polnische Präsident ein Antisemit?" Dieser hatte im Zusammenhang mit dem Streit um den Klosterbau auf dem Boden des ehemaligen Vernichtungslagers Auschwitz die gleiche Meinung vertreten wie der Primas der katholischen Kirche, Kardinal Jozef Glemp, als dieser vom "jüdischen Hochmut" sprach, "die die Gefühle des polnischen Volkes verletzt" hätten. Der polnische Papst, Johannes Paul II. setzte noch eins drauf, als er seine Heimat besuchte - sehr zum Ärger der jüdischen Vertreter Polens - , indem er in seiner Ansprache "Parallelen zwischen dem Holocaust und der Abreibung" gezogen hatte.
Das spätere Bedauern von Lech Walesa über seine antisemitischen Äußerungen wirkten eher fahl und nichtssagend, vor allem als die antisemitischen Aktionen in seinem Lande immer häufiger und heftiger auftraten.
Einer Studie zufolge, die 1991 in einer polnischen Zeitung veröffentlicht wurde, kam heraus, dass "jeder vierte Pole den Einfluss der Juden in seinem Lande für zu groß hält". Im August 1991 wurde - wie schon mehrfach früher - der jüdische Friedhof in Warschau von "Unbekannten" verwüstet, etliche Grabsteine wurden umgestoßen, mit obszönen Sprüchen beschmiert, andere wurden gestohlen oder man fand sie zertrümmert auf einem anderen Ort wieder. Im April 1992 wurden 40 Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof in Wroclaw geschändet. Ende Januar 1993 wurde die Gedenktafel an die jüdischen Opfer der Stadt Lomza, die sich am Eingang zum ehemaligen Ghetto befand, beschmiert.
1995 machte der Geistliche und ehemaligen Beichtvater Lech Walesas, Henryk Jankowski, in Danzig mit antijüdischen Sprüchen wieder einmal auf sich aufmerksam. In seiner Predigt am 11. Juni forderte er, dass die Regierungsmitglieder klar sagen sollten, ob "sie aus Moskau oder Israel" kämen. Und "Polen, erwacht!" rief er seinen Schäfchen zu, zwischen denen übrigens auch der polnische Präsident Walesa saß. Erst nach heftigem Druck aus dem Ausland nahm Lech Walesa Stellung zu diesen Äußerungen, in dem er behauptete, er habe diesen Satz nicht gehört, da in der Kirche eine schlechte Akustik herrschte.
In einem späteren Interview meinte Jankowski unter anderem, dass der Davidstern als "Symbol der Unterdrückung nicht nur im Hakenkreuz, sondern auch in Hammer und Sichel enthalten" sei. Der Danziger Pfarrer Jankowski sah sich keineswegs veranlasst, sich auch nur im geringsten von seinen Äußerungen zu distanzieren. Im Gegenteil, er meinte lediglich, dass es wohl gestattet sein müsse, "die Wahrheit zu sagen". Was Jankowski unter "Wahrheit" versteht, dass klingt so: "Die teuflische Habsucht der Juden, der Bankiers und Finanziers, ist schuld am Kommunismus. Dieselbe teuflische Habsucht wie auch andere Aktionen der Juden führten zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, dem größten Verbrechen in der Geschichte der Menschheit." Als der Reporter des Nachrichtenmagazins Wprost vorsichtig nachfragte, ob der Geistliche da nicht etwa was verwechselt haben könne, zumal die Opfer des Holocaust sich nicht selbst umbrachten, gab ihm Jankowski zu verstehen: "Nein, es seien diejenigen Juden schuld, die Geld gehabt hätten und noch mehr Geld verdienen wollten." Zu dieser These liefere ihm ein Liederbuch der Russischen Revolution den Beweis, dass nämlich der Davidstern im Symbol von Hammer und Sichel enthalten sei und dass der Sowjetstern eigentlich aus dem Davidstern hervorgegangen sei "
Die vom Vorsitzenden der polnischen Bischofskonferenz, Tadeusz Pieronek, angedrohten Sanktionen ließen den Pfarrer ungerührt, obschon der Erzbischof von Danzig, Tadeusz Goclowski, nach Kanonischem Recht Jankowski seines Amtes entheben könnte - wenn er wollte. Erst im November 1997 wurde er suspendiert.
1996, im Zusammenhang mit der Gedenkfeier an das Pogrom von 1946 in Kielce, flackerten erneut antisemitische Stimmungen in der polnischen Bevölkerung auf. Es war zwar erfreulich, dass erstmals ein polnischer Ministerpräsident, Wlodzimierz Cimoszewicz, an der Gedenkveranstaltung teilnahm und sich für die früheren antijüdischen Ausschreitungen in Polen entschuldigte, doch genau dieses löste Unmut aus: Viel zu frisch war nämlich auch noch die Diskussion um Auschwitz, wo man in unmittelbarer Nähe ein Einkaufszentrum errichten wollte und wo die polnische Kirche auf dem Gelände des ehemaligen Vernichtungslagers Birkenau ihre christlichen Symbole aufstellen ließ. Die Aufstellung der Kreuze sahen fast alle Juden in der Welt als ein Affront eben eine Lästerung, zumal zwischen 1941 bis 1945 in den Gaskammern von Birkenau mehr Juden ihr leben ließen als irgend eine andere ebenfalls verfolgte Bevölkerungsgruppe.
Im August 1998 spitze sich dann der Streit um die Kreuze vor der Mauer der Gedenkstätte des früheren KZ Auschwitz-Birkenau zu. Die nationalistische polnische "Vereinigung der Kriegsopfer", unter der Führung des Antisemiten und ehemaligen (1995) Präsidentschaftskandidaten, Leszek Bubel, wollte - wie er in einem Interview ankündigte - die Kreuze notfalls mit Gewalt verteidigen. Es würde eine eigens dafür bestimmte unbewaffnete "Nationalgarde" gegründet, die diese Kreuze schützen soll. Einige besonnen Bürger von Auschwitz erstatteten unterdessen Anzeige wegen Volksverhetzung gegen die "Verteidiger des Kreuzes", denn sie hätten in Flugblättern Deutsche und Juden als "teuflisch-heidnische Kräfte" bezeichnet, die angeblich das "polnische Volk ausrotten" wolle.
Rechtsextremisten - Propaganda und Angriffe
Mit solchen "Lappalien" gaben sich die polnischen Rechtsextremen gegen Ende der 90er Jahre nicht mehr ab. Für sie galt vielmehr die Devise: für ein judenfreies Großpolen zu marschieren. Und so gehören bis heute Demonstrationen und Straftaten der Rechtsradikalen zum täglichen Bild in polnischen Städten.
Am Rande der Veranstaltungen zum 80. Jahrestag der Unabhängigkeit Polens brannte (nicht zum ersten Mal) eine europäische Flagge, entzündet von Rechtsradikalen, die davor in Nazimanier ihre Hacken zusammen schlugen und dabei lauthals gröhlten: "Wir brechen der Union die Knochen! Polen den Polen! Solidarnosc - Hund Brüssels!"
Die Demonstration der polnischen Faschisten war ordnungsgemäß angemeldet und galt daher als "normale Veranstaltung" zur Unabhängigkeits-Feier. Es wurden feurige Reden geschwungen und mit dramatischen Stimmen wurden "Appelle an das Volk" gerichtet, wie etwa diese: "Nein zur Nato! Nein zur EU! Keine Teilung Polens!"
Am Denkmal des Unbekannten Soldaten lagen die Kränze der Rechtsradikalen einhellig neben denen der Regierungsbeauftragten und dem des polnischen Staatspräsidenten Aleksander Kwasniewski.
Wortwörtlich "tatenlos" sah die Polizei dem Treiben in Rzeszów zu, wo rund 200 Skinheads mit erhobenem Arm wie zum Führergruß an der offiziellen Feierlichkeit teilnahmen und unentwegt "Großpolen!", "Katholiken Polen!" und "Zyd na Israelu!" skandierten. Nach Berichten von Augenzeugen schritten der Bürgermeister, der Stadtrat und andere höhere Bürger der Stadt bei der Unabhängigkeits-Feier sogar hinter den Jungfaschisten einher.
In Krakau kam es zu Prügeleien zwischen den Anhänger der Republikanischen Liga, den radikalen Antikommunisten und der Polizei, die nämlich die Delegation der Sozialdemokraten schützen wollte. Solche Vorfälle werden in breiteren Rahmen kaum noch von den örtlichen Medien wahrgenommen. Und es wird auch nur noch am Rande Notiz genommen, wenn beispielsweise bei Gedenkveranstaltungen, wie 1999 an das November-Pogrome, in verschiedenen polnischen Städten kleinere bis mittlere Mobhorden herumliefen und brüllten: "Juden raus!" oder "Hitler, komm zurück, hier gibt's noch Juden!"
Die Gesellschaft "Nigdy Wiecej" (Niemals wieder) versuchte am 9. November einen Appell mit dem Titel "Schluss mit der Straffreiheit für Faschisten!" zu veröffentlichen, doch war das Interesse in der breiteren Öffentlichkeit mehr als gering.
Auch wenn so mancher Antifaschist in Polen westlichen Beobachtern erklärt, dass die Organisationen wie die Nationale Wiedergeburt Polens oder die Allpolnische Jugend nur "Randgruppen in der polnischen Gesellschaft" darstellen, von denen der "normale Pole" eigentlich nichts wissen will, so beweisen die fast tagtäglichen Vorkommnisse jedoch andere Tatsachen. Es gibt in Polen Gesetze (die Artikel 256 und 257 des Strafgesetzbuchs), in denen Völkerverhetzung und Verherrlichung des Faschismus, sowie jede Form der Diskriminierung verboten und unter Strafe gestellt wird. Aber wer wendet sie schon an?
Es nicht schwer sich mit faschistischen Schriften und Bücher einzudecken. Das gilt für Hitlers >Mein Kampf
Zwischen Frühjahr und Herbst 1999 häufte sich die antisemitische Agitation, nachdem in Warschau das Mahnmahl für die Juden-Deportationen geschändet, die Wände der Gedenkstätte mit frivolen antisemitischen Sprüchen besprüht worden waren, wie es aus der Zeitung >Gazeta Wyborcza
Der jüdische Friedhof in Krakau, der seit seiner Gründung 1799 zu den bedeutendsten in Osteuropa zählt, wurde innerhalb von drei Monaten gleich zweimal geschändet, 57 Grabsteine wurden unwiederbringlich zerstört. Auch der jüdische Friedhof in Tarnow, dessen älteste Steine aus dem 16. Jahrhundert stammen, wurde Ende August 1999 Opfer der antisemitischen Zerstörungswut.
In Frühjahr 2001 gedachte man in Polen einer Tatsache, an der breitere Teile der Gesellschaft Anteil nahmen und an der sich auch der größte Teil der polnischen Presse beteiligte. Es ging um das Gedenken in Jedwabne, wo 1941 über Tausend Juden von ihren "polnischen Nachbarn" ermordet wurden.
Die konservative Tageszeitung >RzeczpospolitaWprost
Und Städtchen wie Jedwabne, mit ähnlich gesinnten Bürgern, die gab es etliche im Polen zwischen 1939 und 1945 ... nur ist diese Geschichte noch nicht bearbeitet - dafür aber um so kräftiger verdrängt worden ...
Re: Antisemitismus - Gestern und heute -
Auschwitz ohne Juden
Antisemitismus ist in Polen immer ein Thema. Der Holocaust nicht.
Von Lutz Eichler
Über ein andauerndes Feindbild
"Wer den Antisemitismus erklären will, muss den Nationalsozialismus meinen." (Max Horkheimer) Die Spezifik des polnischen Antisemitismus entwickelt sich aus dem Begriff dessen, was Deutsche zu leisten imstande waren - zu einem guten Teil vor den Augen von Polen. Die großen Vernichtungslager befanden sich auf dem ehemaligen und heutigen Staatsgebiet Polens: Auschwitz, Treblinka, Sobibor, Majdanek und Belyec. Dort wurden, nach Raul Hilberg, knapp die Hälfte der insgesamt sechs Millionen Juden vernichtet. Heute leben in Polen noch etwa 5 000 bis 10 000 Menschen jüdischen Glaubens. 1939 waren es 3,35 Millionen, 1945 noch 50 000. Dennoch hat der Holocaust im kollektiven Bewusstsein Polens vierzig Jahre lang kaum Spuren hinterlassen, und der Antisemitismus ist von diesem Ereignis nahezu unberührt geblieben. Wie groß die Bereitschaft ist, auch heute noch ziemlich unverhüllt antisemitische Stereotype im öffentlichen Diskurs einzusetzen, zeigten in der ersten August-Woche die Reaktionen in der Öffentlichkeit auf die Entschädigungsforderungen jüdischer Polen, die nach den Pogromen zwischen 1945 und 1947 das Land verlassen hatten.Antisemitismus ist in Polen immer ein Thema. Der Holocaust nicht.
Von Lutz Eichler
Über ein andauerndes Feindbild
Während im Land der Täter der Antisemitismus gewissermaßen "durch Auschwitz hindurch muss" und sich dabei zu dem spezifischen sekundären Antisemitismus transformierte ("Die Deutschen verzeihen den Juden Auschwitz nie"), blieb er im polnischen öffentlichen Diskurs stets präsent. Das lag zunächst an der anderen symbolischen Aufladung von Auschwitz, das von den Staatskommunisten als Ort des Martyriums des polnischen Volkes und insbesondere seines antifaschistischen Widerstandes umgedeutet wurde und der Legitimation des volksrepublikanischen Staatsprojekts diente. Noch in dem 1988 erschienenen offiziellen Standardwerk der Gedenkstätte Auschwitz (Interpress Verlag) heißt es: "(...) die KZ waren das Hauptinstrument zur (...) Vernichtung der unterjochten Völker, vor allem der slawischen, darunter besonders des polnischen Volkes und der Völker der UdSSR, sowie der Juden und der Menschen, die nach den Nürnberger Gesetzen von 1935 als Juden angesehen wurden".
Erst seit dem 1987 veröffentlichten und vieldiskutierten Artikel des Literaturhistorikers Jan Blonski in der liberal-katholischen Tageszeitung Tygodnik Powszechny, "Die armen Polen blicken aufs Ghetto", reagiert die polnische Gesellschaft auf die Shoah. Blonski erkennt die Verantwortlichkeit der gesamten christlichen Welt für den Massenmord an den Juden an und meint, dass Polen sofort nach Entschuldigungen und Rechtfertigungen für die häufige stillschweigende Billigung suchen würden, statt sich ihre Schuld einzugestehen. Diese bestehe nicht im Massenmord, an dem Polen ja tatsächlich keinen Anteil hatten - es gab keine nennenswerte Kollaboration, sondern im Zögern, Widerstand zu leisten. Seit Blonski nimmt sich die Intelligenzija zunehmend des Themas Antisemitismus an - häufig mit Sentimentalität. Es ist nachgerade hip, die Jahrhunderte lang andauernde "polnisch-jüdische Symbiose" zu romantisieren, in der Ahnenforschung auf jüdische Großonkel zu stoßen, koscher zu essen und von Klezmer begeistert zu sein. In weiten Teilen der Öffentlichkeit wird die Konfrontation mit dem Holocaust jedoch als nationale Kränkung verstanden, da jetzt der Opferstatus geteilt werden muss. Der polnische Nationalismus speist sich aus der Überzeugung einer kollektiven Märtyrer- und Messias-Rolle, die ein Opfer neben sich nicht duldet. Das nationalistische Sendungsbewusstsein hat eine religiöse Tiefe, die die lange Zeit verzögerte Nationenbildung mythisch auflädt. Die Dreiteilung Polens durch die Großmächte wird als heilige Dreifaltigkeit interpretiert, der polenfeindlichen Politik der Teilungsmächte wird der ehrenvolle Märtyrertod entgegengesetzt, der über den Widerstand zur "Auferstehung" des "Christus der Völker" führen müsse. Die Vorstellung, zum auserwählten Volk zu gehören, wird durch die schiere Präsenz "der Juden", aber darüber hinaus durch die vermeintliche jüdische Reklamierung von Auschwitz als Martyrium, empfindlich gestört.
Die Aufstellung des Waldes von christlichen Kreuzen vor den Toren Auschwitz' ist mehrfach antisemitisch: Sie beschwört die katholisch-polnische Identität, die sich gerade auch in Abgrenzung zur jüdischen Identität definiert, verweigert den Juden Auschwitz als Ort des Gedenkens und der Trauer und leugnet die Shoah als die Vernichtung der europäischen Juden. Die Kreuze wurden, bis auf ein vom Papst geweihtes, letzten Monat entfernt, unter anderem mit der Begründung, dass es "dem Ansehen Polens in der Welt" schade. Die katholische Kirche hatte schon in der Teilungszeit von 1795 bis 1918 die Funktion der nationalen Identitätsstiftung gegenüber dem protestantischen Preußen und dem orthodoxen Russland. Wer Pole ist, bestimmte sich in Zeiten des fehlenden Nationalstaats weitgehend über den Katholizismus und produzierte die ausschließende Verbindung des Katholik-Polen, die den religiösen Antisemitismus mit modernem Nationalismus verkoppelte.
Die ausbleibende polnische Staatlichkeit und die fortdauernde Fremdherrschaft produzierte einerseits eine anarchische Grundhaltung, übergeordnete Institutionen wurden abgelehnt - der sprichwörtliche polnische "Freiheitsdrang" hat hierin seine Wurzel -, andererseits wurden große Teile des Landes von der technischen Entwicklung abgeschnitten, dort entwickelte sich kein Industriebürgertum, sondern verblieb alles in archaischem Kollektivismus, der heute noch in Ostpolen vorherrscht. Die Repräsentanten des Marktes - häufig Juden - wurden als Kollaborateure der jeweiligen Staatsmacht betrachtet. Die eigentümliche Mischung aus revolutionärem Freiheitspathos, romantischer Verklärung der spätmittelalterlichen Adelsrepublik, der Überzeugung, der "Christus der Nationen" zu sein, zementierte einen Nationalismus, der sich als "Nation ohne Staat" über Religion und Kultur definiert. Das Polentum sollte kraft seiner Geistesstärke existieren, nicht qua ethnischer oder biologisch rassischer Homogenität.
Nach der Staatsgründung 1918 tauchte mit der "Nationaldemokratie" (endecja) unter der Führung Roman Dmowskis eine moderne, faschistische panslawistische Bewegung auf, die die romantischen, antimodernen, religiösen Motive als Hemmnis einer funktionierenden Staatspolitik ansah. Die endecja suchte eine militärische, anti-intellektuelle, rassische Begründung der Nation gegenüber der geistig-kulturell-religiösen auch mit den neuesten Mitteln der Propaganda zu etablieren. Diesen Wechsel exekutierte der aus dem nationalistischen Flügel der Polnischen Sozialistischen Partei (PPS) hervorgegangene langjährige Staatschef und Oberbefehlshaber der Armee, Jozef Pilsudski. Unter seiner autoritären Herrschaft brachte der Antisemitismus auch jenen Pseudo-Antikapitalismus, wie er auch für die deutschen Nationalsozialisten kennzeichnend war und ist, hervor, verband sich jedoch nicht mit deren säkularisiertem protestantischen Arbeitsethos. Die Glorifizierung von Arbeit sans phrase fand zu keinem Zeitpunkt großen Anklang. Weder in der Zwischenkriegsphase, in der die "soziale Frage" national gestellt und beantwortet wurde, noch in der Nachkriegszeit, die von der staatskommunistischen Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei dominiert war.
Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg durch die Rücksiedlung aus dem Innern der Sowjetunion die Zahl der Juden in Polen bis Juli 1946 wieder auf 137 000 an. Von ihnen kamen bis 1947 schätzungsweise 1 500 bis 2 000 meist bei Überfällen und Anschlägen ums Leben. Mitte August 1945 kam es in Krakau zum ersten bekannt gewordenen Pogrom nach der Shoah, Parczew folgte und im Juli 1946 Kielce. Dort hatte eine jüdische Organisation ein Zentrum zur Beherbergung und Verpflegung zurückkehrender Juden, deren Wohnungen von Nicht-Juden belegt waren oder die auf der Suche nach Verwandtschaft in Polen umherirrten, errichtet. In Kielce wohnten vor dem deutschen Überfall rund 25 000 Juden, etwa 4 000 starben im ortseigenen Ghetto an Typhus, 21 000 wurden in Treblinka ermordet. Das Pogrom wurde in Kielce durch den unmittelbaren Anlass einer Kindsentführung losgetreten. Einen Tag lang konnte sich der christliche Mob ungehindert ausleben: 42 jüdische Einwohner wurden ermordet. Weitere sechs Menschen wurden aus einem Zug hinausgetrieben und getötet, eine unbekannte Zahl von Juden oder "jüdisch aussehenden" Menschen an Bahnhöfen der Umgebung umgebracht.
In der Bevölkerung mischten sich religiöser Antisemitismus mit Antikommunismus, der sich wiederum auf die polnisch-russische Geschichte bezog, in der Russland als Unterdrücker galt. Es bildete sich ein umfassendes "Judäo-russischer-Kommunist"-Stereotyp, welchem un- oder antipolnische Absichten unterstellt wurden. Dieses konservativ-reaktionäre Ideologem erhielt sich über die gesamte Phase der Volksrepublik bis heute in rechten Kreisen inklusive der Solidarnosc. Doch schon in den fünfziger Jahren gesellte sich ein anderes, ein linkes Feindbild hinzu.
In Folge der "Verschärfung des Klassenkampfes in der Übergangsphase vom Kapitalismus zum Sozialismus" (Stalin) Anfang der fünfziger Jahre in den Ostblock-Staaten begann 1952/53 auch in der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP) eine Säuberungskampagne, die sich vor allem gegen die ehemaligen West-Emigranten richtete, die - ob jüdischer Herkunft oder nicht - des "Kosmopolitismus", der "antisozialistischen" Haltung und erstmals des "Zionismus" beschuldigt wurden.
Die größte staatliche antisemitische Kampagne begann jedoch 1967, bei der Parteichef Wladyslaw Gomulka, dem zuvor noch von einer parteiinternen Gruppe um General Mieczyslaw Moczar "Nachsicht gegenüber den Juden" vorgeworfen worden war, selbst von einer "Fünften Kolonne" schwadronierte und die reformorientierte Fraktion durch Moczarianer ersetzte. Dieselben Vorurteilsmuster dienten auch der Unterdrückung der studentischer Proteste 1968. Auch hier hatte die Partei die "Zionisten" als Drahtzieher ausgemacht, vom Ausland finanzierte Konterrevolutionäre, die die polnische Jugend den Imperialisten in die Arme treiben wollten. Die Agenten des "Weltjudentums" arbeiteten angeblich mit den "Revisionisten" in Deutschland zusammen und bildeten eine gegen Polen gerichtete "Achse Bonn-Tel Aviv". Zehntausende verloren ihre Stellung, knapp 20 000 verließen das Land. Mit der Ausreise verloren die "Zionisten" automatisch die polnische Staatsbürgerschaft und wurden staatenlos. Der Angriff hatte neben den innerpolnischen Auseinandersetzungen auch eine außenpolitische Note. Israel hatte im später so genannten Sechs-Tage-Krieg einen überwältigenden militärischen Sieg gegen die von der Sowjetunion unterstützten arabischen Staaten errungen. Israel war Kriegsgegner, was in Polen praktisch hieß: Die Juden sind Feinde.
Der Vorwurf, jüdisch zu sein oder Kontakte zu Juden zu haben, ist bis heute aus allen politischen Lagern zu hören. Etwas diffus "Jüdisches" wird wahlweise für den Kommunismus, das Scheitern desselben, für die soziale Krise 1989 ff., für den "Ausverkauf des Landes" oder gerade für das Ausbleiben ausländischer Investitionen verantwortlich gemacht. Während bis 1945 alles "Jüdische" als "fremd" galt, wurde später alles "Fremde" als "jüdisch" denunziert. Das antisemitische Vorurteil kommt völlig ohne konkreten Juden aus, dafür ist Antisemitismus in Polen empirischer Beleg. Das bürgerliche Subjekt ist strukturell antisemitisch (Joachim Bruhn) und sucht sich halbwegs willkürlich sein Objekt. Der polnische - ob säkularisiert oder nicht - katholische Nationalismus orientiert sich eher kulturalistisch als biologisch, ist eher staatskritisch als anhimmelnd, eher antimodern und irrationalistisch als modern und instrumentell.
Was hacken alle an Israeliten rum?
Schalom allen...,
da war ich diese Woche doch auf einer arabischen Seite/Blog geflutscht, unabsichtlich , war gut getarnt, der über die Zionisten schimpfte und wetterte, habe mir das genau angesehen und dann auch festgestellt, dass die Fotos, es waren Jaffa Orangen die es gab bevor die Israelis in ihr Land zurück kamen, schon echt waren, man beschrieb ganz Israel als fruchtbares Land, doch die Info wurde missbraucht.
Weiss jedes Kind, dass es in Israel immer Früchte gab wo Wasser ist. Und ausserdem hat GOTT Israel gesegnet für sein Volk, wenn er also seinem Volk kurz zeitig das Land entzog muss deshalb noch lange nicht der Segen futsch gewesen sein oder
Was muss die Welt so loshetzen, was muss sie dieses Volk GOTTES so hassen, unter wessen Geist steckt und steht die Welt
Na, schon drüb. nach gedenkt
eure Suzanah
Antwort: steht ja alles bei John/Yochanan.
Suzanah- Anzahl der Beiträge : 106
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Re: Antisemitismus - Gestern und heute -
Shalom allen und Shalom Suz,
die Antwort kinderleicht, die Welt steht unter der Herrschaft der Lüge, doch das wäre nun unser Job, die Menschen dran zu erinnern, dass dieser Fluch gebrochen und beendet wird..
Liebe Grüsse allen und neue Power in Elohim, der die Wahrheit ist und in die Wahrheit führt durch seine Salbung, wir haben Hände und Füsse, einen Verstand und Möglichkeiten die wir einzusetzen haben!!
Lehit Anastasia
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